Eine besondere Quiche und: Innere Werte – Thomas Pinçon, Michael Hermes

innereien_cover_20_10

Machen wir weiter mit „Jeden Tag ein Buch“ ? Es gibt ein Kontrastprogramm. Gestern vegetarisch, heute Innereien.

An Innereien scheiden sich die Geister. Viele Menschen rühren sie nicht an – warum eigentlich? Ich hatte damit nie Schwierigkeiten. Als Kind zählte die Leber Berliner Art zu meinen Lieblingsessen; ich freute mich jedes Mal, wenn sie auf dem Tisch stand. Das Hirn, das es ab und zu zum Abendessen gab, präsentierte meine Mutter uns als besondere Köstlichkeit – und so verstehe ich es auch heute noch.

Und nicht zuletzt sind Innereien wertvolle Lebensmittel: vollgestopft mit Mineralien und Vitaminen, dabei oft auch noch fettarm.  Zunge, Herz und Magen sind zudem auch noch bestes Muskelfleisch. „Innere Werte“ setzt – außer verführerischen Rezepten, natürlich, auf Ästhetik. Geschrieben haben es Thomas Pinçon und Michael Hermes. Die beiden Köche betreiben zusammen in Hamburg die Brasserie „Café Paris“. Die Brasserie wartet nicht nur mit dem Charme einer französischen Brasserie auf, sondern auch mit einer authentischen Speisekarte. Innereien zählen in Frankreich noch als Delikatessen und kommen häufig auf den Tisch. Für das Buch haben die beiden die besten Innereien-Rezepte aus der Brasserie zusammengestellt. Unterstützt wurden sie dabei von Michel Zemour, Weinexperte und gute Seele der Brasserie.

Die Ästhetik habe ich schon hervorgehoben. Alles Gerichte sind sehr appetitanregend fotografiert: schön angerichtet, auf ungewöhnlichem Porzellan serviert und nicht selten mit einer Holzplanke als Hintergrund.  Dennoch sind die Fotografien nicht gekünstelt – sie stimmen durchaus mit den erreichbaren Kochergebnissen überein.

Was den Rezeptteil angeht, fange ich mal von hinten an. Hinten steht nämlich das Wichtigste: Es werden die einzelnen Innereien vorgestellt und Grundkenntnisse über ihre Zubereitung vermittelt. Hier lernt man, wie die einzelnen Innereien  – Hirn, Leber, Bries, Nieren, Zunge, Onglet, Kutteln, Lunge, Füsse, Herz und Kopf vorbereitet und gegart werden – unerläßlich für den späteren Erfolg beim Kochen der Gerichte aus dem Rezeptteil.

Das war hinter dem Rezeptteil. Vor dem Rezeptteil gibt es noch einen kleinen geschichtlichen Exkurs. Seit Jahrtausenden bereits essen die Menschen Innereien. Im alten Rom waren sie nicht nur als Delikatesse beliebt, sondern wurden auch verwendet, um die Zukunft vorauszusagen. Infolgedessen verbannte das aufkommende Christentum die als heidnisch geltenden Innereien von der Speisekarte.  In der griechischen Mythologie und auch in Frankreich galten Innereien als besonders stärkende Speise.  Die Tradition des Essens von Innereien war in Frankreich nie unterbrochen – und so gehen manche der im Buch präsentierten Rezepte zurück auf das 17. Jahrhundert.

Der Rezeptteil selbst ist geordnet nach den Tieren, von denen die Innereien stammen. Präsentiert werden klassisch französische Rezepte vom Kalb, vom Lamm und vom Schwein.

Vom Kalb gibt es so edle  Zubereitungen wie Kalbsbries mit Abalone und Steinpilzen, aber auch gebackenen Kalbskopf mit Sauce Tatar, Zunge in Biersauce, Nieren im ganzen gegart und natürlich die bekannte Leber Berliner Art.

Das Lamm verwöhnt uns mit Zunge und Bäckchen in Rotwein geschmort, es gibt Lammhirn à l’oriental, Lammhoden in Koriander, Pansen und Schulter in der Tajine.

Vom Schwein wird Wurst gemacht: Blutwurst nach altem Bauerrezept, aber auch Presskopf. Natürlich gibt es auch den gefüllten Saumagen, der durch einen bestimmten Herren zu Ruhm und Ehre kam, es gibt Andouillette und gegrillten Schweinefuß.

Die Rezepte sind präzise formuliert; allerdings auch recht kurz gefasst. Etwas Kocherfahrung sollte man mitbringen. Oft gibt es noch Küchentipps oder Alternativen zur klassischen Zubereitung. Zu jedem Rezept finden wir außerdem eine Weinempfehlung von Michel Zemour.

Michel Zemour hat außerdem ein eigenes Kapitel: er ist zuständig für die Brotzeit und präsentiert außer Kutteln auf provençalische Art klassische Charcuterie-Rezepte wie Leberpastete oder Paté Maison.

Was isst man zu Innereien am besten? Da sind die Herren sich einig – Püree. Gestritten wird darüber, ob nun in ein Püree Pfeffer gehört und ob man zuerst die Butter oder die Milch zufügt. Das kann man ja dann selbst entscheiden, wenn das feine Kartoffelpüree aus „La Ratte“-Kartoffeln kocht, das Kartoffel-Apfel-Püree, das Erbsen-Püree oder die Stampfkartoffeln provençale.

Diese Diashow benötigt JavaScript.

Das erste Blättern löste schon mal Jubel aus – ein Rezept für gefüllte Schweineohren. Schweineohren hatte ich nämlich in der Tiefkühle. Erfreut, welche zu finden, hatte ich sie mitgenommen – und dann nichts gefunden, was ich damit anstellen könnte. Naja, es waren die letzten Schweineohren meines Lebens. Die Füllung war fein, die haben wir gegessen…aber die Ohren…nicht; die waren kaum zu kauen. Laut Rezept werden sie 30 min blanchiert und dann mitsamt Füllung nochmals 20 min gegart. Das war wohl zu kurz, um die Ohren kaubar zu machen. Die dazu servierte Mayonnaise war klasse, die wird es öfter geben. Auch das Karottenpüree mit Estragon war fein.

Im Grunde bin ich nicht begeistert von der Geschmacksrichtung süß-sauer. Die Zunge in süß-saurer Sauce mußte ich trotzdem probieren. Im Rezept wird Kalbzunge verwendet; ich gestehe, aus einer Einkaufsnotlage heraus mußte ich mit Schweinezungen vorlieb nehmen. Angetan von dem Gericht waren wir trotzdem. Mir hat besonders gefallen, dass in der Sauce dank der Mandelblättchen etwas Biss war. Dazu gab es cremige Polenta; auch mit der waren wir zufrieden.

Die Leberpaté stammt aus dem Charcuterie-Teil des Buches. Ich habe sie zu einem Brunch mitgebracht – einhellige Begeisterung. Ich war überrascht, wie locker die Paté trotz des geringen Flüssigkeitsanteil war.

Auf Gegenliebe stießen auch die Lammherzen Wiener Art. Herz hatte ich tatsächlich noch nicht gegessen, oder kann mich zumindest nicht daran erinnern. Nun steht fest, dass es nicht das letzte Mal gewesen sein wird.

Ich wollte unbedingt die Blutwurstquiche mit Feigen machen; eine würdige Verwendung für die im Wurstkurs hergestellte Blutwurst, fand ich. Beinahe wäre das schief gegangen. Die Quiche kommt daher mit einem Belag aus Blutwurst, Schalotte und Feigen (bei mir rote Trauben), wird übergossen mit einer Royale; einer Sauce aus Milch, Sahne und Ei. Die Menge der Royale war viel zu reichlich bemessen, damit hätte man zwei Quiches backen können. Die Backtemperatur und -zeit stimmten auch nicht – 30 min bei 150°C stand da. Wohlweislich habe ich die Quiche bei 180°C in den Ofen geschoben, aber selbst da war nach 30 min die Royale nicht gestockt, sondern total flüssig. So etwas finde ich immer sehr ärgerlich, man hat das Gefühl, dass die Rezepte nicht getestet wurden. Weitere 20 min bei 200°C waren die Rettung für die Quiche.

Mein Fazit kann ich kurz fassen: für Innereinliebhaber ist das Buch ein Must-Have, auch wenn sich bei den Rezepten, jedenfalls was die Garzeiten angeht, das Mitdenken lohnt. Wer keine Innereien mag oder sich gar vor ihnen ekelt, sollte dennoch einen Blick in die „Inneren Werte“ riskieren. Womöglich wird er ja von der Aufmachung und den reizvollen Rezepten doch noch zum Liebhaber von Innereien. Kaufen kann man das Buch direkt hier beim Verlag; da gibt es auch eine Vorschau in das Buch-Innere.

quiche mit blutwurst

Jetzt zur Quiche. Der Weg dahin war ein wenig steinig. Im Original wird die Quiche mit Feigen gemacht. Das hätte sicher gut gepasst, aber die gibt es ja grade gar nicht. Nach längerer Suche entschied ich mich für rote Trauben – nicht saisonal, aber die Quiche mußte sein. Außerdem verwendet das Originalrezept gekauften Blätterteig; darauf hatte ich keine Lust. Ich habe den Topfenblätterteig verwendet, von dem ich hier schon geschwärmt habe. Ich habe es ja schon geschrieben; Menge der Royale und Backtemperatur und -Zeit musste ich anpassen.

Et voilà – hier ist mein modifiziertes Rezept:

Für den Teig:

  • 125 gr. Magerquark
  • 125 gr. Butter
  • 125 gr. Mehl
  • 1 Prise Salz

Für die Füllung:

  • 200 gr. rote Trauben, kernlos wäre praktisch
  • 1 EL Butter
  • 1 TL Zucker
  • 1 Prise Salz
  • 3 Schalotten
  • 300 gr. Blutwurst
  • 200 ml Sahne
  • 200 ml Milch
  • 3 Eier
  • Muskat

Zunächst für den Blätterteig alles Zutaten zu einem Teig verkneten. Dann ausrollen und zusammenfalten. Diesen Vorgang noch zwei bis dreimal wiederholen, dann den Teig in Frischhaltefolie packen und ca. 1 h im Kühlschrank ruhen lassen.

Inzwischen die Füllung vorbereiten:

Dafür die Trauben halbieren. Die Schalotten schälen und fein hacken.

Den Backofen auf 200°C vorheizen.

Butter in einer großen Pfanne zusammen mit Zucker und 1 Prise Salz zum Schmelzen bringen, dann die Schalotten hinzugeben und ca. 3 min glasig andünsten. Dann die Trauben zu den Schalotten geben und 2 min unter Rühren mitdünsten. Vom Feuer nehmen und beiseite stellen.

Den Blätterteig rund und etwas größer als die Form ausrollen. In die Form legen und am Rand etwas festdrücken.

Die Blutwurst aus dem Darm nehmen, in walnussgroße Portionen teilen und auf den Teigboden streichen. Traubenmischung ebenfalls auf dem Teig verteilen.

Für die Sauce Royale Eier, Sahne und Milch mit dem Stabmixer verrühren, mit Salz und Muskat abschmecken. Sauce auf dem Belag verteilen. Die Quiche im heißen Ofen ca. 45 min backen.

21 Kommentare

  1. Wie toll! Ja, es gibt mehr als nur Schnitzel und Filet! Leber, Nieren usw. esse ich gerne. Saumagen und Blutwurst eher nicht. Und mit Schweineohren habe ich in China so meine eigenen Erfahrungen gemacht. 😉 Ich setze das Buch mal auf meine Wunschliste! Danke für die Inspiration! LG Ulrike

    • Meine Erfahrungen mit Schweineohren kann man auch als eigen bezeichnen. Ich habe so eine Ahnung, weswegen Hunde da gerne darauf rumkauen…. 😉

  2. Darüber könnte ich auch nachdenken- zwar mag ich längst nicht alle Innereien, manches hab ich auch noch nie probiert, aber anderes dafür umsomehr. Und bin in der Zubereitung noch nicht über Leber-Paté, saure Nierle schwäbischer Art und Leber Berliner Art hinausgekommen. Auf die Blutwurst wäre ich jetzt weniger scharf….

      • ja, so scheiden sich die Geister. Die Nierle sind hier der Hit, als ich die das erste Mal meinem Sohn vorsetzte- mit 4 oder 5 Jahren- hat der so reingehauen dass ich kaum eine Portion für den Kindsvater retten konnte….

  3. Ich mochte Innereien auch schon immer. Schweineohren hatte ich allerdings noch nie und es scheint, als müsste das auch nicht sein. 😉
    Sag‘, deine Kinder essen Schweinezuge? Hast du nicht mal angemerkt, sie seien mäkelig?
    Und das mit den fehlerhaften Rezepten? Scheint ein (fast) allgegenwärtiges Übel in Kochbüchern jeglicher Couleur zu sein. Ich ärgere mich darüber immer masslos, aber letztlich nützt das auch nichts…

    • Habe ich behauptet, dass meine Kinder das gegessen haben? 😉 Im Ernst, wenn ich nur kochen würde was meine Kinder ohne Mucken essen, dann könnte ich den Laden dicht machen. Ich versuche es halt immer wieder, so nach der „Mühsam-nährt-sich-das-Eichhörnchen“-Methode.
      Ärgern nutzt auch nix….Normalerweise halte ich mich ja gar nicht so an Rezepte, aber für einen Rezension schalte ich die Autokorrektur aus, so gut es halt geht.

    • Das freut mich, wenn Du ein Geschenk gefunden hast 🙂 Vielleicht kann dich deine Mama ja mit einem Rezept aus dem Buch überzeugen … 😉

  4. danke für die leckere Beschreibung der „inneren Werte“. Als Innereien-Fan, jedes mal wenn ich in München bin, gönne ich mir ein saures Lüngerl – bin ich sofort auf das Buch angesprungen und habe mir in freudiger Erwartung auch die Speisekarte der „Brasserie Paris“ angeschaut – endlich Innereien in Hamburg. Die sind aber erstmal von den all gegenwärtigen Spargeln verdrängt worden. Koche ich mir eben türkische Kuttelsuppe İşkembe selbst. 😉

    • Wer selbst kochen kann, hat Vorteile.
      Aber die Spargelsaison dauert ja nicht lange, da können die Innereien schon mal zurückstecken 😉

  5. Danke für das interessante Buch. Ich bin aber bei Innereien etwas wählerisch. Nicht alles davon mag ich, aber einiges kommt mir jetzt wieder in Erinnerung, was ich als Kind gemocht habe. Geröstete Leber mit Zwiebelringen und Apfelscheiben gehörten dazu, Kalbskopf, Schweinskopf – vor allem die Sülze daraus und eine Spezialität, die ich letztes Jahr bei einem Fleischer wiederfand: Backe. Das ist das ausgelöste Fleisch des Schweinskopfes, gekocht in einem Wurzel-Gewürzsud. Nach dem Erkalten kam er hauchdünn aufgeschnitten, mit frischen dünnen Zwiebelscheibchen in Lagen in eine irdene Form und wurde mit einer Vinaigrette übergossen.
    Nieren und Lunge z.B. mag ich gar nicht. Aber man kann nicht alles mögen und haben.

    • Sind wir nicht alle wählerisch? Man muss und kann ja nicht alles mögen. Lunge mochte ich früher auch nicht, was hauptsächlich an der essigsauren Marinade lag. Die Sülze haben wir neulich beim Wurstkurs gemacht – einfach herrlich.

  6. Also Innereien war bisher nicht meins. Liegt vielleicht auch daran, dass es die bei uns zuhause nicht gab. Aber ich taste mich so lange ran. Vielleicht hilft das Buch dabei – ich werde mal einen Blick rein werfen 🙂

    • Bei uns waren sie Alltag…was ja noch lange nicht heißt, dass man sie dann auch mögen muss. Könnte auch nach hinten losgehen……Das Buch bietet jedenfalls einen guten Überblick, gut geeignet zum Rantasten.
      Und: einen wunderschönen Urlaub weiterhin 🙂

  7. und so danken wir unseren Müttern, dass sie uns Kalbsleber Berliner Art gegeben haben. Eine Liebe fürs Leben!
    Lustig zu lesen, dass dies bei Dir genauso war.
    LG, Claudia

  8. Danke für die ausführliche und kompetente Rezension. Es ist immer wieder toll, wenn Kollegen und Leser sich mit den Büchern wirklich auseinandersetzen.
    Rainer Schillings, 99pages Verlag, Hamburg

Kommentare sind geschlossen.