Kochbuch: sour/the magical element that will transform your cooking | Mark Diacono

Sauer, das waren in meiner Kindheit in der Hauptsache zwei Dinge: der Spritzer Saft aus der Plastikzitrone und Essig, Branntweinessig schwäbischer Herkunft. Ersteres war ganz willkommen, letzteres einfach nur scheußlich, besonders in diesen Salaten, die es im bayerischen Wirtshaus immer zum Sonntagsbraten gab. Letzteres führte bei mir zu recht ausdauerndem Essig-Boykott.

Branntweinessig mag ich immer noch nicht, aber Säure sehr wohl. Oft genug ist es der Spritzer Zitronensaft, der eine Sauce erst rund macht, aber das ist ja noch längst nicht alles.

Einer, der sich auskennt mit der sauren Geschmackrichtung und eine regelrechte Leidenschaft dafür entwickelt hat, ist Mark Diacono. Er ist ein britischer Foodwriter, Gärtner und Fotograf. Lange Zeit hat er für Hugh Fearnley-Whittingstalls River Cottage gearbeitet – und zum Beispiel für diese die Grundlagenbücher über Obst, Hühner und Gemüse geschrieben. Seit mehreren Jahren betreibt er nun die Otter Farm, baut Gemüse an und gibt Kochkurse.

Ich bin auf das Buch über eine britische Food-Zeitschrift aufmerksam geworden und habe es mir gekauft. Nachdem ich mich damit befasst habe, hat es mich so begeistert, dass ich es Euch näher vorstellen möchte.

Grob unterteilt ist das Buch in zwei Teile; ein Grundlagenteil und ein Rezeptteil. Im Grundlagenteil erfahren wir zunächst, was den sauren Geschmack ausmacht und was er bewirkt. Und dann werden wir in die Lage versetzt, ihn herzustellen: Es gibt ausführliche Beschreibungen und Rezepte für Sauerteig, gesäuerte Milchprodukte, Essig, fermentiertes Obst und Gemüse und für Getränke. Der Teil ist voller Informationen und Warenkunde, jeweils gefolgt von ausführlich beschriebenen Grundrezepten – eine Fundgrube. Das einzige, was ich etwas schwierig finde, ist, dass der Informationsteil sehr klein gedruckt wurde – vielleicht wäre das Buch sonst zu dick geworden.

Dann geht es an die eigentlichen Rezepte, und zwar unterteilt in Kleinigkeiten, Beilagen, Salate und Suppen, Hauptgerichte, Desserts und Getränke – und auch hier gilt wieder: es ist eine Fundgrube. Sauerteigpfannkuchen, Foccacia mit Stachelbeeren, Piccalili, Essighühnchen, rosarote Eggs Bénédict, Limettenposset, Gin mit Bitterorange und Kardamom – die Liste, dessen, was ich noch ausprobieren möchte, ist sehr, sehr lang.

Übrigens macht es sehr viel Freude, in diesem Buch zu lesen. Mark Diacono hat zu jedem Rezept eine kleine Einführung, die sehr persönlich geschrieben ist und auch der britische Humor blitzt da gerne mal durch. Blättern macht auch Freude – das Layout ist minimalistisch und auf das Wesentliche fokussiert. Es gibt nicht für jedes Rezept ein Foto, aber wenn es ein Foto gibt, dann ist es ganzseitig und auch hier gilt die Konzentration auf das Wesentliche.

Den Stachelbeer-Haferkuchen habe ich im Herbst gebacken und hier auch schon vorgestellt – den gibt es mal wieder. Außerdem auf der Ideenliste: Stachelbeeren wie japanische Umeboshi einlegen. Ich warte auf die Saison.

Adobo ist im wesentlichen in Essig gegartes Fleisch, hier mit Hühnchen. In der Sauce ist eine beeindruckende Menge Essig, dazu Sojasauce, Lorbeer, Knoblauch und etwas Zucker – das Fleisch war sehr gut, und in der Sauce hätten wir baden können.

Zum Adobo gab es gerösteten Weißkohl mit Chaat-Masala. Ich wiederhole mich, aber es ist einfach so – ich werde in Zukunft ganz viel Wintergemüse mit Chaat masala in den Ofen werfen, die spezielle Säure und Würze ist zum Beispiel bestimmt auch bei Rosenkohl ein Knaller.

Ja, ich weiß. Schön geht anders, aber da müssen wir jetzt alle durch. Das sind oder vielmehr werden zwei Varianten Bananenessig. Basis sind überreife Bananen, einmal nur das Fruchtfleisch, einmal die Schalen mit etwas Wasser, Ahornsirup und Apfelessig. Ich warte, und wenn es toll wird, werdet ihr von mir hören.

Das ist Kimchi mit Radieschen und rosa Grapefruit. Grapefruit finde ich inzwischen langweilig, alles bittere wurde ihr weggezüchtet. Aber im Kimchi kommt die Bitternote richtig gut durch. Und die Kombination macht tatsächlich etwas ganz neues aus den Zutaten, es ist faszinierend.

Das sind Dosa-Pfannkuchen mit geröstetem Blumenkohl und Raita. Dosas sind ja recht aufwändig, und das hier ist eine kleine Abkürzung: der Teig aus Kichererbsenmehl und Reismehl ruht einige Stunden und beginnt dann zu blubbern. Dazu gibt es ofengerösteten Blumenkohl mit einem kleinen Trick: etwas Joghurt, das mitgegart wird, verleiht dem Ganzen Frische und Säure

Fazit:

„sour“ ist ein umfassendes Werk über den saueren Geschmack. Mark Diacono erzählt, wie Säure entsteht, was sie bewirkt, lädt zum Experimentieren ein und liefert Rezepte, die zeigen, wie Säure das Beste aus unseren Gerichten herausholen kann.

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