Kochbuch: Von Zen und Sellerie | Malte Härtig, Jule Felice Frommelt

Worauf kommt es eigentlich an? Was macht es denn aus, unser Leben, unseren Tag, unser Kochen? Was ist Euch denn da wichtig? Eine philosophische Frage? Ja, aber es geht hier auch um ein philosophisches Kochbuch. Von Malte Härtig habe ich Euch bereits dieses Buch über Kaiseki vorgestellt. Da geht es um die japanische Hochküche und ihre Verbindung zum Zen-Buddhismus. Das liest sich sehr schön und aufschlussreich –  aber nun geht es an die Praxis. Es wird gekocht. Die Idee: ein jahreszeitliches Kochbuch, das das jeweilige Gemüse und seinen Charakter in  den Mittelpunkt stellt.

Ich fange jetzt mal von außen an, denn ich ringe irgendwie nach passenden Formulierungen für das Wesen dieses Buches. Vor mir liegt ein schöner, hochwertig aufgemachter Band mit Fadenbindung, mattem Papier in gedeckten Farben, Lesebändchen und schönen Fotos.  Die Fotos hat Jule Felice Frommelt gemacht, und sie sind reduziert im besten Sinne. Da werden die fertigen Gerichte gezeigt – in schönem, passenden Geschirr, aber ohne Drumherum. Es geht um die Seele der Gerichte, und die wird wunderbar eingefangen.

So, jetzt zum Wesen des Buches. Malte Härtig ist Koch und Philosoph und er beschäftigt sich …. grob gesagt mit Einfachheit. Was bleibt denn übrig vom Gemüse, wenn ich es ernte, mir überlege, was es sein will, und es dann entsprechend zubereite? Fern von Sahnesaucen, komplexen Gewürzmischungen und anderen Kapriolen? Er hat die Tradition des Kaiseki  aufgegriffen und es sich zur Aufgabe gemacht, das Wesen des Gemüses zu erkunden.

Jule Felice Frommelt ist begeisterte Gärtnerin und hat ein Gartengrundstück im Spreewald. Dort wurde das Buch konzipiert. Die beiden sind immer wieder in diesen Garten gefahren, haben geerntet und mit dem Geerneten gekocht. Wenn man beim Kochen das Wesen der Dinge erkunden will, richtet man sich am besten nach dem Lauf der Jahreszeiten. Und genau danach sind die Rezepte auch geordnet.

Da gibt es  Seidentofu mit Mangold und Mandarinendressing im Frühling, Antipasti auf japanische Art im Sommer, Topinambur mit Misonaise im Herbst und Lauch mit Orange und Walnuss im Winter. Es werden keine Milchprodukte verwendet, aber hin und wieder ein Ei. Die meisten Rezepte sind zwanglos und zufällig  vegan. Zu jedem Rezept gibt es eine Einführung, in der man lesen kann, worauf es ankommt bei dem Gericht und was sein Wesen ausmacht. 

Für jede Jahreszeit gibt es eine Suppe, eingelegtes Gemüse, gegartes Getreide,  etwas mit Tofu und auch Süßes.  Wie es die Tradition des Kaiseki will, wird jedes Kapitel mit einer Tasse Tee abgeschlossen: Matcha im Frühjahr, Gerstentee im Winter….Das klingt japanisch, und auch viele Kochtechniken sind aus der japanischen Küche entlehnt. Dennoch ist das keine japanisches Kochbuch in  Reinkultur, sondern alles ist übertragen auf unsere Lebensverhältnisse. 

Die Rezepte sind einfach im besten Sinne. Es wird zurückhaltend gewürzt, hauptsächlich mit Dashi, Mirin und Sojasauce – Würzmittel, die den Eigengeschmack der Zutaten betonen anstatt ihn zu übertünchen. Der Dashi ist ein einfacher Kombu-Dashi – und ich habe aus gutem Grund seither immer ein großes Glas Wasser mit etwas Kombu darin auf der Arbeitsfläche stehen.

Nun ist das aber kein reines Rezeptbuch. Es ist (auch) ein Buch zum Lesen, Nachdenken und Erkenntnisse gewinnen. Es gibt viel Text, als Vorwort, vor jedem Kapitel und auch zu jedem Rezept als kleine Einführung. Klar geht es da um Lebensmittel und ums Kochen –  aber nicht auf einer technischen Ebene, sondern auf einer philosophischen. Kochen wir den Sellerie oder kocht der Sellerie etwa auch uns? Was passiert  – in der Küche und in meinem Leben –  wenn ich die Dinge so nehme, wie sie eben sind? Was ist denn das Wesen der einzelnen Jahreszeiten?  Es  gibt viele schöne  Anregungen zum Innehalten und Nachdenken oder auch  einfach Nachspüren.

Eigentlich ist die Zwiebel-Misosuppe  ein Gericht aus dem Herbst-Kapitel, aber ich habe sie an einem noch sehr kalten Frühlingstag gekocht. Die Kombination aus weicher, süßer, karamellisierter Zwiebel macht zufrieden, wärmt den Bauch und wirkt richtig aufmunternd.

Dengaku ist eine Zubereitungsart, bei der Grillgut mit einer Würzpaste aus Miso und anderen Würzzutaten bestrichen wird. Hier wurde Tofu auf diese Art zubereitet – das ist richtig toll. Der Tofu nimmt die Würzung wunderbar auf.

Zum Tofu gab es Brokkoli. Der wird kurz gedämpft und bekommt dann ein Dressing aus körnigem Senf, Sojasauce und Tahin. Senf und Brokkoli vertragen sich sehr gut.

Malte Härtig nennt dieses Gericht Gurken-Apfel-Kimchi; es erinnert an japanische, rasch eingelegte Tsukemono: Gurke, Apfel, etwas Reisessig, Zitronenschale und für den Kick frisch geriebener Meerrettich. Knackig, erfrischend und mit dem gewissen Etwas.

Rhabarber-Tempura. Dazu muss ich nichts weiter sagen – das ist ebenso schlicht wie genial. Hier geht es zum Rezept.

Fazit:

Das ist ein Buch für Menschen, die gerne über den Tellerrand schauen und für die Kochen und Essen nicht nur Nahrungsaufnahme und Genuss ist, sondern auch ein Vorgang, der uns tiefer in unser Dasein blicken lassen kann. Und die auf das Wesentliche reduzierten Rezepte sind ein Genuss, denn sie holen das Beste aus den Zutaten heraus.

  • Gebundene Ausgabe: 250 Seiten
  • Verlag: AT Verlag
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN: 978-3038000525
  • 28,00
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6 Kommentare

  1. Das Buch scheint wunderbar zu sein. Danke für den Tipp. Leider funktioniert der Link unter Tofu nicht. Es interessiert mich sehr! Könntest Du das bitte korrigieren? Danke.

  2. Klingt sehr lesenswert, dieses Buch, auch wenn der übweriegende Teil der Rezepte wieder mal nix für mich sein wird. Auf die Rhabarber-Tempura freu ich mich!

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