Kochbuch: Die Küche Sichuans | Fuchsia Dunlop

Ich bin ein wirklich riesengroßer Fan von Fuchsia Dunlop und habe mich lange Jahre immer wieder gefragt, wann ihre Bücher endlich auf Deutsch übersetzt werden – nun, es ist so weit; ich freue mich sehr.

Fuchsia Dunlop ist Britin. 1994 kam sie im Rahmen eines Austauschprogrammes erstmals nach China, genauer nach Chengdu in Sichuan – sie blieb dort und besuchte eine chinesische Kochschule – als erste Europäerin und einzige Frau. Seither hat sie mehrere Bücher über die chinesische Küche verfasst und gilt als eine absolute Expertin auf diesem Gebiet.

Warum das so ist, wird einem recht schnell klar, wenn man sich mit diesem Buch, das übrigens ihr erstes war, befasst. Auf fast 500 Seiten hat sie Rezepte, Techniken und Geschichte der Sichuan-Küche zusammengefasst. Das auffälligste Merkmal der Sichuan-Küche ist ihre Schärfe – und die Kombination von scharfen Chilis und leicht betäubend wirkendem Sichuan-Pfeffer málà (麻辣) – betäubend scharf, so heißt diese Geschmacksrichtung. Das bekannteste Gericht ist wohl Mapo-Tofu. Das ist aber nicht alles – man kombiniert gerne mutig verschiedene Aromen und Sichuan ist eine sehr fruchtbare Gegend, die Auswahl an Lebensmitteln ist also riesig und die Küche sehr abwechslungsreich. Und: man legt großen Wert auf eine verfeinerte Küchentechnik, besonders, was Schnitttechniken und Garmethoden angeht.

Reichlich Stoff also, den Fuchsia Dunlop in insgesamt 14 Kapitel unterteilt hat. Das beginnt mit kalten Speisen, geht über Fleisch, Tofu, Gemüse und Nudeln bis zu Süßspeisen und Grundrezepten für Würzmittel und Brühen. Natürlich gibt es die bekannten Klassiker wie Mapo-Tofu, Auberginen mit Fischduft, Gong-Bao-Hähnchen oder Dan-Dan-Nudeln, aber das meiste sind eher unbekanntere Rezept-Schätze wie Sauerscharfe Blüten-Tofu-Suppe, Sichuan-Lake zum Einlegen von Gemüse oder Weißes Schwein in Knoblauchsauce.

Die Rezepte sind ausführlich und nachvollziehbar beschrieben – es wurde an alles gedacht. Es gibt zu jedem Rezept eine Enführung, die die Geschichte des Gerichts erzählt und worauf es ankommt. Und oft findet man auch zusätzliche Tipps, Varianten und alternative Zubereitungsmethoden unter den Rezepten. Die Zutaten gibt es in aller Regel im gut sortierten Supermarkt, speziellere Würzmittel und Zutaten wie Sichuan-Bohnenpaste, Gemüse wie Lotuswurzel oder bestimmte Nudelsorten finden sich im Asia-Shop. Ein paar Grenzen gibt es dann aber doch – die geschmorten Rindersehnen zum Beispiel werde ich wohl eher nicht ausprobieren können.

Fuchsia Dunlop beschränkt sich aber nicht auf Rezepte – das Buch beginnt mit einer gründlichen Einführung zur Esskultur Sichuans einschließlich ihrer Geschichte, den verschiedenen Geschmacksrichtungen und der Wichtigkeit von Konsistenz und Struktur. Es gibt ein Kapitel über die Kücheneinrichtung, in dem unter anderem erklärt wird, wie man einen Wok einbrennt und ein Hackmesser scharf hält. Eine ausführliche, bebilderte Warenkunde zu typischen Produkten fehlt auch nicht – und im Anhang sind die 23 Geschmacksrichtungen und 56 Garmethoden Sichuans aufgelistet und erklärt.

Ein paar Sätze noch zur Optik: das ist ein hochwertig aufgemachter Band mit Lesebändchen, schönem Papier und einem übersichtlichen Layout in Spalten. Nicht jedes Rezept hat ein Bild bekommen, aber dafür gibt es wunderbare Bilder aus Sichuan und die Foodfotos sind sehr ansprechend – da gibt es das entsprechende Gericht in einer Schale und kein Drumherum.

Ich habe ein wenig mehr ausprobiert als normalerweise; einerseits aus purer Begeisterung, aber auch, weil ich zu fast jeder Mahlzeit zwei Gerichte auf den Tisch gestellt habe.

Das sind gebratene Lotuswurzeln, gewürzt mit Chili und Sichuanpfeffer. Die Gewürzkombination gibt es oft für Gemüse – und der ewas mehligen Lotuswurzel tut sie sher gut.

Edamame mit goldenem Häkchen – die Häkchen sind getrocknete Shrimps, die vor dem Braten in Reiswein und Wasser eingeweicht werden. Das ist ein sehr mildes Gericht mit den Aromen der Shrimps, von Frühlingszwiebeln, Ingwer und einer vorher gekochten Hühnerbrühe.

Das sind Auberginen, die in Scheiben geschnitten, mit einer Hackfleischmasse gefüllt, in einen Ausbackteig aus Ei und Stärke gehüllt und dann frittiert werden. Dazu gibt es einen „Dip“ aus geröstetem Sichuan-Pfeffer und Salz.

Die berühmte geprügelte Gurke – bei der durch das Schlagen übrigens nur das Fruchtfleisch etwas aufgelockert werden soll – wird hier in einem Dressing aus süßer Sojasauce und reichlich Knoblauch serviert.

So, Teigtaschen – gefüllt mit ganz fein gewürfeltem Kürbis und Schweinehack. Die Hülle ist aus einem gebrühten Teig und weich und ein bisschen klebrig.

Man kriegt mich immer, einfach immer mit auf chinesische Art geschmortem Schweinebauch. Dieser hier ist mit Karotten und Sichuan-Chilibohnensauce – sehr fein.

Gemüse wird oft rasch rührgebraten und mit Chilischoten und Sichuan-Pfeffer gewürzt serviert. Hier sind es Kartoffeln, und denen steht diese Würzung ausgesprochen gut – genau wie den Lotuswurzeln oben.

Ich habe (fast) immer eine Packung getrocknete Mu-Err im Vorrat, ohne sie allzu sehr zu mögen. Dieser Salat hier ist aber toll: die Pilze werden eingeweicht, kurz gegart und bekommen ein sauer-scharfes Dressing mit ordentlich Wumms.

Bärentatzen-Tofu: der Tofu wird in Stärke gewendet, frittiert und dann einer würzigen Sauce mit Chilibohnenpaste, Ingwer, Knoblauch und Essig serviert – das schmeckt einfach toll.

Purer Klebreis ist nicht wirklich meins, aber hier wird er mit Erbsen und chinesischer Wurst serviert und schön mit Sichuan-Pfeffer gewürzt, das schmeckt wunderbar.

Fazit:

Kochbuch trifft es vielleicht nicht ganz, denn das Buch geht tiefer. Die Rezepsammlung ist umfangreich und die Rezepte sind schlüssig. Es gibt aber auch spannende Texte zur Esskultur Sichuans – und zusammen mit den Reisefotos kann man richtig eintauchen in diese Gegend.

  • Herausgeber: Christian Verlag
  • Sprache: Deutsch
  • Gebundene Ausgabe: 496 Seiten
  • ISBN: ‎ 978-3959616515
  • € 60,00