Kochbuch: Leaf to Root – Alles vom Gemüse essen * Esther Kern, Pascal Haag

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Nose to Tail, das ist ja gerade in aller Munde. Und das ist auch gut so. Ich kenne es eigentlich aus meiner Kindheit als Selbstverständlichkeit, dass alles vom Tier gegessen wird. Hirn zum Abendessen mit seiner Rührei-Konsistenz, das war als Kind ein Highlight für mich. Aber gut….was ist eigentlich mit dem Gemüse? Wie steht es so schön in den meisten Rezepten: „Gemüse waschen und putzen“. Und was machen wir mit dem, was da „weggeputzt“ wurde? Im allerbesten Fall landen Kartoffelschalen, Kohlrabistängel oder Gurkenkerne im Kompost. Aber geht das auch anders? Können wir mehr Teile vom Gemüse essen, als man landläufig so meint? Mit dieser Frage befasst sich dieses Buch.

Ich nehme erst mal das Äußere vorweg, denn es ist…hinreißend. Wobei das irgendwie das falsche Wort ist. Wir sprechen von einem großformatigem, hochwertig hergestelltem Buch – mattes Papier, Fadenbindung, zwei Lesebändchen, klares, puristisches Layout. Ich neige dazu, Fotos in Büchern eher nicht so wichtig zu nehmen, aber wenn Sylvan Müller sie gemacht hat, dann komme auch ich ins Schwärmen. Klar und einfach, aber doch etwas ganz Besonderes. Das würde ich gerne auch können. Aber ich schweife ab.

Kommen wir doch zum Inhalt; ich muss grade überlegen, wo ich anfange. Gut, am besten bei den Rezepten. Da gibt es einen Rezeptteil der strukturiert ist nach Pflanzenteilen: wir finden Blatt und Kraut, Stiel und Rippe, Haut und Haar, Strunk und Herz, Blüte und Kern sowie Wurzel und Knolle. Es geht um Rezepte für Blumenkohlblatt und Karottenkraut, Fenchelstiel, Gurkenschale, Blumenkohlstrunk und Artischockenstängel, um Aprikosenkern, Rhabarberblüte, Löwenzahnwurzel und viele andere. Ich habe noch so ein paar Marker im Buch kleben….Blumenkohlblatt-Curry mit Kartoffeln steht ebenso auf meiner Liste wie Schupfnudeln mit Grünkohlrippen, Karottenstiel-Falafel mit Linsen-Hummus, Gurkenschalen-Limonade mit Ingwer oder Blumenkohlstrunk-Pannacotta mit Kapern-Vinaigrette.

Die Rezepte sind vegetarisch. Sie sind ordentlich strukturiert und funktionieren. Wobei….manchmal sind die Zutaten die Grenze. An Chicoreewurzel oder Dahlienknollen kommt dann doch nur derjenige, der selbst anbaut.

Das Buch bleibt aber nicht bei bloßen Rezepten stehen. Es startet mit einer Expertenrunde zum Thema. Da kommen Menschen wie Dominik Flammer oder Stefan Wiesner zu Wort. In jedem Kapitel wird zudem jemand vorgestellt, dem es am Herzen liegt, dass wir alles vom Gemüse essen: da wären Andree Köthe und Yves Ollech vom Essigbrätlein, Søren Wiuff, der das Noma in Kopenhagen beliefert, eine Sensorikerin, die über die Geschmacksnuancen staunt und einige andere.

Und: am Ende des Buches gibt es ein Kompendium. Da werden Obst-und Gemüsesorten von Ananas bis Zwiebel aufgeführt und es wird genau erklärt, welche Teile man wofür verwenden kann und was man dabei beachten muss –  ein Lexikon. Dann gibt es da noch ein Literaturverzeichnis, das definitiv Lust auf mehr macht. Nicht zu vergessen das Rezeptverzeichnis, oder besser gesagt, die Rezeptverzeichnisse: da gibt es eines nach Rezeptgruppen und eines nach Gemüseteilen – man findet, was man sucht.

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Es gibt kein Rezept für dieses Brot, sondern nur eine Idee hinten im Glossar: eine Schweizer Köchin läßt Bananenschale mit etwas Honig und Wasser fermentieren und backt mit dem fermentierten Wasser dann Brot. Habe ich ausprobiert. Ich habe mit dem fermentierten Wasser einen Vorteig angesetzt und den Rest an den Hauptteig gegeben. Es hat sehr lange gedauert, bis das Brot aufgegangen ist, aber es hat funktioniert. Einzig die Farbe ist seltsam: es sind 100 g Dinkelvollkorn im Teig, das rechtfertigt die dunkle Farbe, die übrigens erst beim Backen entstanden ist, nicht.

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Gurkencurry. Ja, und? Was Ihr auf dem Bild seht, ist die Gurke mit Schale. Für die verwendete Gewürzpaste werden neben Gewürzen die ausgekratzten Kerne mitsamt der Flüssigkeit verwendet. Das ist gut, aber  relativ unauffällig. Zum Curry gibt es Chapatis.

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Vichyssoise aus Frühlingszwiebeln mit Avocado-Tatar: das hat uns begeistert. Ich war neugierig, wie die Reaktionen ausfallen, wenn man feststellt, dass im Tatar auch der Kern der Avocado ist. Nun, es war einfach: wir aßen mit Begeisterung  alles auf. Der angeröstete Kern der Avocado gibt dem Tatar Biss und ein wenig Schärfe und macht ihn erst rund. Mit dem Avocadokern bin ich noch nicht fertig. Ich könnte mir vorstellen, dass er fein gehobelt und knusprig frittiert ein schönes Topping für alles Mögliche abgibt.

teigtaschen

Teigtaschen! Gefüllt mit Kohlrabistielen und Tofu, dazu eine süß-sauere Sauce auf Apfelbasis. Auch das war eine feine Sache.

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Kartoffelküchlein mit Brokkolistrunk, so lautet das Rezept. Meine Abokiste war kreativ und hat statt des angekündigten Brokkoli einen Blumenkohl geliefert, weswegen ich diesen verwendet habe. Die Küchlein werden statt mit Ei mit Maisstärke gebunden, das geht gut.

Fazit? Kaufen! Auf diesen Aufruf könnte ich mich beschränken. Ich finde, dieses Buch muss man haben. Jedenfalls dann, wenn man mit Gemüse kocht und neugierig darauf ist, was man mit den vernachlässigten Teilen anfangen könnte.

  • Gebundene Ausgabe: 320 Seiten
  • Verlag: AT Verlag
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN: 978-3038009047
  • 49,90
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11 Kommentare

  1. KLingt sehr interessant. Nur ich befürchte mir fehlt es an der Zeit mich damit zu befassen, komme ich doch grade kaum zum Kochen, zumindest unter der Woche.

    • Das ist im Grunde ja das spannende an Kochbüchern, dass jeder im gleichen Buch etwas anderes findet. ich bin gespannt, was Du ausprobiert hast.

  2. Hach, ich hatte gehofft, dass du noch dieses Buch besprichst! Ich finde das nämlich total spannend! Und jetzt muss ich es halt leider wirklich kaufen… verrate es bloß nicht meinem Herrn W…. der kriegt nämlich langsam nen Kochbuchschock hier.. 😉
    Liebe Grüße,
    Eva

  3. Ich habe das Buch auch gerade da und ja, es ist wirklich sehr, sehr schön gemacht. Besonders alltags tauglich finde ich die Rezepte allerdings nicht und ob ich nach den Erzählungen meiner Großmutter Kartoffelschlalen essen will? Ich weiß nicht. Irgendetwas muss ja auch in den Kompost, damit wieder fruchtbare Erde für neues Gemüse entstehen kann – oder? 😉

    • Das ist mal eine neue Perspektive – stimmt.
      Man muss das ja nicht alles essen, wir haben glücklicherweise die Wahl. Ich finde es einfach spannend, was alles möglich ist. Mit Kartoffelschalen habe ich kein Problem. Knusprig frittiert kann ich mir die gut vorstellen. Aber bei Bananenschale ist Schluss!

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