Tohru Nakamura wurde als Sohn eines japanischen Vaters und einer deutschen Mutter geboren und wuchs mit beiden Kulturen auf – und zwar so gründlich, dass er während seiner Schulzeit auch samstags zur Schule ging, um japanisch zu lernen. Dass er Koch werden möchte, war ihm sehr früh klar.
Nach einer Ausbildung im damaligen Hotel „Königshof“ unter Martin Fauster und einigen Wanderjahren – unter anderem bei Joachim Wissler und Sergio Herrmann und natürlich einer Zeit in Japan erkochte er zurück in München zwei Sterne im Werneckhof; als das Lokal geschlossen wurde aufgrund von Corona nicht viel möglich war machte er durch verschiedene Pop Ups von sich reden. Und seit einiger Zeit kann man ihn nun in seinem eigenen Restaurant besuchen.
Und: er bringt uns in seinem ersten Kochbuch seine Küchenphilosphie näher. Nach Japan konnte er dafür coronabedingt nicht reisen, und so beginnt das Buch – neben einer biografischen Einführung – damit, dass er uns Orte vorstellt, in denen man Japan näher kommen kann. Düsseldorf war mir klar, und ich weiß auch, wo ich da in München hin muss, aber Kaiserslautern mit seinem japanischen Garten war mir neu.
Die Rezepte sind nach Zutaten geordnet: das beginnt mit Sesam, geht über – unter anderem – Ei, Koji, Umeboshi, und Sojasauce bis zu Algen. Das fängt immer mit einer ausführlichen Warenkunde an. Da fand ich zum Beispiel spannend, dass man in Deutschland beim Kauf von Katsuobushi nicht viel beachten muss – es gibt ohnehin nur eine Qualität, ganz im Gegensatz zu Japan. Die Rezepte in den Kapiteln stellen die entsprechende Zutat in den Vordergrund, und das sehr vielfältig. So gibt es im Kapitel über Reis zum Beispiel frittierte Garnelen, Onigiri, Risotto mit Wagyu, Aubergine und Yuzu, aber auch Senbei und Mochi. Überhaupt gibt es in fast jedem Kapitel auch etwas Süßes – und wie ihr unten sehen könnt, in überraschenden Kombinationen. Was es nicht gibt, das sagt schon der Untertitel des Buches – es gibt kein Sushi. Sushi in Japan ist eine schlichte Kombination von Reis und Fisch, die jahrelange Übung voraussetzt. Das wollte sich Tohru Nakamura nicht anmaßen.
Die Rezepte sind eine spannende Mischung. Es gibt viel Japanisches, aber ebenso oft werden die japanischen Zutaten in Gerichten europäischer Prägung eingesetzt. Ich erwähnte ja oben die Sterne – und falls Ihr Euch die bange Frage stellt: „Kann ich das nachkochen?“ – Ja, könnt Ihr. Es sind einfache Rezepte dabei und auch komplexere mit mehreren Komponenten, aber alles ist nachvollziehbar aufgeschrieben. Manche Zutaten können eine Herausforderung sein – Yuzu, Koji und Ähnliches gibt es nicht an jeder Ecke, aber in größeren Städten im japanischen Supermarkt. Oder man bestellt online.
Noch ein paar Worte zu den äußeren Werten: Das ist ein hochwertig aufgemachtes Buch mit Fadenbindung. Das Layout ist großzügig – auf den Rezeptseiten ist viel Platz. Dem Rezept gegenüber steht ein jeweils ein ganzseitiges Food-Foto. Mich macht man mit Fotos glücklich, wenn sie ganz reduziert und auf das Essen bezogen sind. Und das ist hier so.
Das ist gerösteter, gemahlener Kombu aus dem Grundrezepte-Teil. Ich war erstaunt, wie fischig der Seetang beim Rösten roch. Das Pulver hat sich aber als Wundermittelchen herausgestellt.
Wenn man das Pulver hat, dann kann man es zum Beispiel in Cookies backen. Diese hier mit weißer Schokolade, gehackten Nüssen und eben dem gemahlenen Kombu sind unwiderstehlich – das Rezept findet Ihr hier.
Noch ein Grundrezept: für Denmiso werden helles und dunkles Miso mit Zucker, Sake und Mirin gekocht – mit dem Ergebnis einer salzig-süßen Paste, die man für einige Rezepte im Buch benötigt.
Zum Beispiel für die Miso Bayrisch Creme. Der Dessert-Klassiker wird mit Denmiso aufgepeppt. Serviert wird er mit Bananen-Karamell und einem Crumble mit Nuss und weißer Schokolade. Die Kombination ist genial, sogar der Bananenhasser der Familie war glücklich. Und ich wäre glücklich, wenn mir mal jemand sagen könnte, warum bei mir bei mit Gelatine gebundenen Cremes immer eine leicht flüssige Masse am Boden absetzt.
Spätzle. Wie unspektakulär – nein, das stimmt nicht. Im Spätzleteig ist nämlich eine beachtliche Menge Tofu untergebracht. Ich überlege ernsthaft, das jetzt immer so zu machen, denn die Spätzle haben einen fantastischen Biss.
Die Flammkuchen basieren auf einem Hefeteig. Drauf gibt es Crème fraîche mit Denmiso, Pilze, Zucchini und Comté.
Japanische Carbonara – Eier sind dran und Parmesan, aber auch Seetang und Katsuoboshi, also getrockneter, in feine Flocken gehobelter Thunfisch – wir fanden das genial, sogar der Seetangskeptiker in der Familie.
Nori-Tempura – einfach und gut. Noriplatten, wie sie sonst für Sushi verwendet werden, werden in Streifen geschnitten, durch Tempurateig gezogen und frittiert. Ein schöner Snack.
Fazit:
Tohru Nakamura ist in der japanischen und der deutschen Esskultur zuhause und zeigt das wunderbar in diesem Buch: es ist eine Hommage an die japanische Küche mit einer sehr ausführlichen Warenkunde für wichtige Zutaten. Die Rezepte sind eine reizvolle Mischung der beiden Esskulturen. Für manche der Rezepte sollte man schon etwas Übung haben. Und man sollte willens sein, den Vorratschrank mit japanischen Zutaten aufzustocken. Genügend spannende Verwendungsmöglichkeiten gibt es ja in dem Buch.
- Herausgeber: Gräfe und Unzer Autorenverlag
- Sprache: Deutsch
- Gebundene Ausgabe, 216 Seiten
- ISBN: 978-3833879869
- € 29,90