Ich interessiere mich ja nichts nur für’s Kochen, sondern auch dafür, was andere Menschen gerne essen und was Essen für sie bedeutet. Da ist es relativ klar, dass der Titel dieses Buches mich neugierig gemacht hat.
Geschrieben haben das Buch zwei Journalistinnen: Melissa Scott arbeitete lange Zeit in der Nachrichtenredaktion eines Fernseh- und Fernsehsenders und ist jetzt Verlagslektorin. Und Victoria Clark war Auslandskorrespondentin beim Observer; heute schreibt sie Bücher.
Die beiden haben sich der diktatorisch regierenden Männer in Europa, dem Nahen Osten, Afrika, Asien und Südamerika angenommen – unter anderem erfahren wir etwas über Nicolae Ceauşescu, Muammar al-Ghaddafi, Idi Amin, Pol Pot und Alfredo Stroessner. Dabei beschränken sich die Kapitel nicht auf die Essgewohnheiten; es gibt immer zuerst eine kurze Biografie und einen Abriss dessen, was die Herren im jeweiligen Land angerichtet haben. Der Originaltitel des Buches ist „Dictators Dinners: A bad Taste Guide to entertaining Tyrants“ – und die Ironie, die da versteckt ist, die fehlt mir in der deutschen Übersetzung des Titels.
Insgesamt ist das interessanter Lesestoff – nicht wenige der Herrscher waren paranoid – Ceauşescu zum Beispiel hatte große Angst davor, vergiftet zu werden. Er trug nie die gleiche Kleidung zweimal und traf aufwändige Vorkehrungen, damit niemand sein Essen vergiften konne. Die meisten der Herren lebten – im Gegensatz zum Volk, das oft hungerte – recht üppig. Das krasseste Beispiel ist da Kim Jong-Il. Während die Bevölkerung größte Not litt, beschäftigte er hunderte von Menschen, die für sein Wohlergehen sorgen mussten. Jedes einzelne Reiskorn, das ihm vorgesetzt wurde, wurde geprüft, er hatte einen Weinkeller mit zehntausend Flaschen der besten Weine und gab pro Jahr 500.000 € für Cognac aus. Das asketische Gegenteil dazu war der Ghanaer Nkruma, der Grapefruit und Müsli frühstückte, einfachen Fischeintopf bevorzugte und zum Nachtisch Obst aß.
Nachdem die Gewaltherrscher und ihre (Ess)Gewohnheiten vorgestellt wurden, gibt es jeweils ein passendes Rezept. Das kann entweder das tatsächliche Lieblingsessen sein – wie im Falles Mao Zedongs der rotgeschmorte Schweinebauch – oder ein Rezept, das im Land viel gegessen wird. Es ist eine große Aufgabe, quer über den Globus zu den unterschiedlichsten Ländern je ein authentisches Rezept auszuwählen und das dann auch noch gut umzusetzen, und so sind nicht alle Rezepte gleich gut nachkochbar. Oft wird für schwer erhältliche oder fragwürdige Zutaten Ersatz vorgeschlagen – Fidel Castro liebte Schildkrötensuppe, da weicht man besser auf Ochsenschwanz aus. Das geht aber nicht immer, und so finden durchaus auch Mopane-Würmer oder frische Moringablätter Eingang in die Rezepte.
Das Buch ist im Stil eines Fotoalbums aufgemacht – in den Texten sind viele Fotos der Herrscher untergebracht, die einem die Personen und ihre Umgebung auch gut erklären. Und von jedem Gericht gibt es ein ganzseitiges Foto.
Die Food-Fotos sind recht einfach gehalten – da ist Essen auf dem Teller und kein großer Schnickschnack. Irritierend ist aber, dass die Essensbilder oft nicht mit den Rezepten übereinstimmen. So ist das auf dem Bild von Pilaw auf keinen Fall der im Rezept verlangte Basmati, und das Hühnchen in Erdnusssauce zeigt kleine Fleischwürfel und etwas das aussieht wie Kartoffeln, obwohl im Rezept ein ganzes Huhn in sechs Teile zerlegt wird und keine Kartoffeln verwendet werden.
Im Gegensatz zu mancher seiner Kollegen ist das Leibgericht von Alfredo Stroessner recht bescheiden – die Sopa Paraguaya ist ein Auflauf aus Mais, Maismehl, Eiern und Käse. Der Legende nach ist es entstanden, als ein Koch versehentlich zu viel Maismehl an eine Suppe gab und sie dann als Brot servieren musste.
Kwame Nrukma (Ghana) war ein sehr disziplinierter Mensch und fastete zwei Tage die Woche. Und er mochte diesen Eintopf mit Fisch, Tomaten und reichlich Chili.
Huhn in Erdnussauce soll das Leibgericht von Francisco Macias Nguema, den Herrscher von Äquatorial-Guinea gewesen sein. Ein Rezept dafür gibt es bereits hier. Dieses hier ist so ähnlich, aber ohne Ingwer und Lorbeer.
Plow ist ein zentralasiatisches Reisericht, das anderswo auch Pilaw heißt. Und diese Variante mit Lammfleisch, Karotten und reichlich Knoblauch war das Leibgericht des Turkmenen Saparmurat Nijasow.
Fazit:
Das ist unterhaltsamer Lesestoff, bei dem man einen Einblick in das Essverhalten und damit auch in das Seelenleben der beschriebenen Herrscher bekommt. Die Rezepte sehe ich eher als Zugabe, die findet oft anderswo besser nachvollziehbar formuliert.
- Herausgeber : Heyne Verlag
- Sprache : Deutsch
- Broschiert : 176 Seiten
- ISBN : 978-3453272866
- € 20,00