Kochbuch: Bitter | Bettina Matthaei

Offensichtlich habe ich es gerade mit Geschmacksrichtungen – neulich gab es Saures, heute wird es bitter. Nicht die beliebteste aller Geschmacksrichtungen, ich weiß. „Bitter“, das ist oft ein Warnsignal, das sagt: Vorsicht, ich bin giftig! Einen allzu bitteren Zucchino sollte man ja auch tatsächlich nicht essen. Aber „bitter“ sagt auch: ich rege deine Verdauung an, ich renke deinen Magen ein, ich bin richtig gesund. Ich mochte Bitteres immer gern – der Endiviensalat und die Grapefruit waren für mich schon als Kind Highlights. Entsprechend enttäuscht bin ich auch, dass man bei den meisten Lebensmitteln die Bitterstoffe weggezüchtet hat. Grapefruit ist heute für mich vor allem eines – langweilig.

Eine, die sich auskennt mit bitteren Nahrungsmitteln (und mit Gewürzen), das ist Bettina Matthaei. Zahlreiche Kochbücher hat sie geschrieben und die Leidenschaft für Gewürze merkt man ihnen allen an. Nu hat sie sich der Geschmacksrichtung „bitter“ angenommen, und, ich spoilere mal, herausgekommen ist ein sensationelles Buch.

Ich fange mal von außen an: das ist ein hochwertig gemachtes Buch mit Fadenbindung und Lesebändchen. Was mir besonders gut gefällt, ist das klare Rezeptlayout. Nicht jedes Rezept hat ein Foto bekommen, aber die Fotos, die es gibt sind ganzseitig und schön arrangiert, ohne dabei zu verspielt zu wirken.

Jetzt aber zu den inneren Werten: da gibt es weit mehr als „nur“ Rezepte. Wir starten mit einer kenntnisreichen Einführung zum Thema „Bitter“. Die Rezepte sind nach Jahreszeiten geordnet, außerdem gibt es Rezepte, die man das ganze Jahr über kochen kann sowie ein Kapitel mit Essenzen und Getränken. Die Liste dessen, was ich unbedingt noch ausprobieren muss, ist lang: das Bittergurken-Zaziki zum Beispiel oder das Safran-Campari-Sorbet. Oder die Asia-Gazpacho mit Sesam-Nori-Topping, die Tonic-Toffees und den Buttermilch-Tonic Shake – die Liste könnte ich beliebig fortsetzen. Auch von den Essenzen muss ich noch viele ausprobieren, denn sie ermöglichen es einem, beim Feintuning Spannung an die Gerichte zu bringen – neben Süße und Säure wirkt da ja auch eine leichte Bitternote oft Wunder.

Die Rezepte sind übersichtlich und logisch verfasst und funktionieren ohne Wenn und aber. Und: die Geschmacksrichtung „bitter“ wird sehr genau herausgearbeitet. Die für den bitteren Geschmack verantwortlichen Zutaten sind farbig hervorgehoben, so weiß man sofort, was einen erwartet. Wenn ein Gericht eher für Menschen geeignet ist, die wirklich sehr gerne bitter essen, gibt es einen Hinweis darauf. Immer wieder finden sich auch Tipps, wie man ein Gericht je nach Geschmack etwas bitterer oder zahmer gestalten kann. Was mir große Freude gemacht hat bei den Rezepten ist, wie wunderbar ausbalanciert die Geschmäcker sind. Immer wieder eingestreut sind außerdem Bildseiten mit typischen Bitter-Zutaten.

Das Register ist auch toll – genaugenommen gibt es zwei: eines nach Zutaten und Gerichten, das nach den Kapiteln farblich kodiert ist und zusätzlich ein Register der Bitter-Zutaten.

À propos Zutaten: die bekommt man gut auf dem Markt oder im Supermarkt, einzig bei manchen Gewürzen (wie Wattleseed) oder speziellen Cocktails-Bitters (wie Angustura Orange) muss man etwas länger suchen.

Es ist selten genug, aber in der Abokiste war Grünkohl. Er landete in diesem asiatisch inspiriertem Gericht – mit Reisnudeln in Gemüsebrühe gegart, die Suppe sensationell abgeschmeckt mit Sambal Oelek, Fischsauce, Sojasauce und Agavendicksaft. Ich war ein wenig misstrauisch, weil der Kohl recht kurz gegart wird, aber das ganze war perfekt. Und vom Bittergrad her sehr anfängergeeignet, einfach nur der Grünkohl, der durch Kokosmilch und all die anderen Aromen gut ausbalanciert wird.

Radicchio ist so ziemlich genau meins – kein Wunder, dass mir die Chili-Pasta mit Radicchio und Garnelen zugesagt hat. Der Radicchio wird auf zweiterlei Art verwendet: die weniger bitteren Blattenden bleiben roh, das innere mit dem Strunk wird gegart; das mindert die Bitterheit etwas.

Karottensuppe – mit etwas Earl Grey und als Topping ein Gomasio. Gomasio ist eigentlich eine klassisch japanische Mischung aus Sesam und Salz, hier gibt es zusätzlich Schwarzkümmel, Zitrone und Dill. Ein Knaller auf der Suppe, und wie schon vorher war ich begeistert, wie ausgewogen die Aromen austariert sind.

Das ist Peperonata, aber mit dem gewissen Etwas: am Gemüse landen Physalis und Cranberries für eine fruchtig-herbe, leicht bittere Note.

Ich probiere immer gerne Neues aus, und so hat mich das Kapitel mit den Bitteressenzen und den Gewürzessenzen sehr angezogen. Es ziehen jeweils Kakao-Nibs, zerkleinerte Nelken und getrocknete Minze in 50%igem Wodka. Alles wird später abgeseiht und in Tropffläschchen gefüllt. Ich bin gespannt.

Sieht aus wie Kräutersalz? Das ist es auch, aber ein besonderes, nämlich ein herb-bitteres Salz mit getrockneten Bockshornkleeblättern, Korianderblättern, Curryblättern und Minze. Und als besonderer Kick wird auch ein Teil schwarzes indische Steinsalz Kala Namak verwendet, das leicht schwefelig und besonders herzhaft schmeckt. Diese Mischung gehört in Zukunft zu meiner Grundausstattung.

Noch eine Suppe: ich bin gar kein Kürbissuppenfan mehr, ich habe mich abgegessen. Aber für diese Kürbis-Apfelsuppe mit Angostura mache ich jederzeit eine Ausnahme. Kürbis, Apfel, Apfelsaft, ein Topping aus karamellisierten Äpfeln und Kürbiskernen und eben Angostura – ein Knaller.

Fazit:

Bettina Matthaei hat hier mehr als ein Kochbuch geschrieben – es ist ein Kompendium des bitteren Geschmacks. Man erfährt sehr genau, warum es sich lohnt sich mit dieser Geschmacksrichtung zu befassen und bekommt wunderbare Rezepte dazu, die einen einen mit Freude ausprobieren lassen.

  • Gebundene Ausgabe : 264 Seiten
  • ISBN: 978-3775007566
  • Herausgeber : Hädecke Verlag
  • 32,00

6 Kommentare

  1. Ixch glaube fast bei diesem Buch werde ich meinem Kochbuch-Fasten untreu werden…. zu viel für mich Interessantes, was du da in deiner gekonnten Art beschreibst….

Kommentare sind geschlossen.