Kochbuch: Gemüse ohne Grenzen | José Andrés mit Matt Goulding

José Andrés ist im spanischen Asturien geboren. Kochen wollte er schon immer, und so begann er bereits mit 15 Jahren seine Ausbildung zum Koch in Barcelona. Bis 1990 arbeitete er mit Ferran Adrià im El Bulli, und als er dort gekündigt wurde, versuchte er etwas Neues und ging in die USA. Ich kürze an dieser Stelle ab, José Andrés ist jetzt bei 34 Restaurants mit 2000 Angestellten, verteilt über 8000 Kilometer. Und bei 2 Michelin-Sternen.

Das ist aber nicht alles. Da gibt es auch ein tiefes, von Herzen kommendes Engagement für Menschen, die Hilfe brauchen. José Andrés hat 2010 World Central Kitchen gegründet, eine Organisation, die Menschen in Katastrophengebieten mit Essen versorgt. Man springt erst notfallmäßig ein und versorgt die Menschen, kümmert sich dann aber auch darum, dass die Menschen sich in Zukunft selbst helfen können. Dieses Engagement hat ihm 2018 immerhin eine Nominierung für den Friedensnobelpreis eingetragen.

So. Jetzt aber zum Gemüse. José Andrés ist begeisterter Allesesser, dennoch ist er von Gemüse ganz besonders begeistert. Und so ist das Ziel des Buches nicht, weniger Fleisch zu essen – sondern mehr Gemüse. Folglich sind die Rezepte im Buch grundsätzlich vegetarisch; hin und wieder kommen aber ein par Sardellen oder eine Scheibe Speck zum Einsatz.

Bevor es an die Rezepte geht, gibt es erst mal Grundsätzliches: José Andrés erzählt, was ihm wichtig ist und wie er kocht. Er hat eine Schwäche für Kochbücher, hält eigene Bienen, kocht Gemüse gerne in Wasser und bedient sich bei klassisch spanischen Gewürzen ebenso gerne wie im Asia-Shop.

Wie es sich für ein ordentliches Gemüse-Kochbuch gehört, sind die Rezepte nach Jahreszeiten strukturiert. Da gibt es Karottencurry im Frühling, rohen Zucchinisalat mit Parmesan und Zitrone im Sommer, im Ganzen gerösteten Blumenkohl mit Barbecue-Sauce im Herbst und Süßkartoffel-Sundaes im Winter. Zu jeder Jahreszeit gibt es zudem kleine, schön illustrierte Doppelseiten, die grundsätzliche Rezepte und Variationen erklären: Sangria, Gazpacho, Verwertungsideen für Gemüsereste, Gemüse-Bowls, eingelegte Oliven – es ist eine Fundgrube.

Die Rezepte sind bunt gemischt – klassisch Spanisches wie patatas bravas oder arroz con cosas (Reis mit Zeug, er hat sich nicht getraut, es Paella zu nennen) gibt es ebenso wie Tex-Mex-Maissuppe, einfache Alltagsgerichte wie Mamas Linsensuppe ebenso wie Kryo-Karottensaft.

Jedes Jahreszeiten-Kapitel beginnt außerdem mit einem Reisebericht von Matt Goulding – zu einem Gemüsefarmer in Ohio im Frühling, in Josés Ferienheimat Spanien im Sommer….Matt Goulding zeichnet ein sehr lebhaftes Bild, und eine  José Andrés, der   mir zutiefst sympatisch ist. Matt Goulding schildert ihn als einen, der sein Werk aus Überzeugung  und mit Leidenschaft tut, der nicht weniger will, als die Welt zu verändern, energiegeladen ist und durchaus ein wenig exzentrisch. Ich hatte beim Lesen hin und wieder den Eindruck, dass es nicht so leicht ist, mit ihm mitzuhalten und sah vor meinem inneren Auge immer mal wieder  partners in crime, die erschöpft und vollgefressen in einer Ecke lagen, während für José Andrés noch lange nicht Schluss war.

Wer mal sehen möchte, wie er mit Tomaten spricht und Gazpacho macht – bitte sehr:

Das Buch zählt zu denjenigen, bei denen ich mir besser merke, was ich nicht ausprobieren will – ich habe einfach mal mit Rezepten angefangen, die sich mit meiner Vorratslage decken:

Denkt man an Spanien, denkt man an Tortilla, oder? Es muss aber nichts zwangsläufig die klassische Kartoffel-Tortilla sein – Tortilla geht mit allem möglichen vorgegartem Gemüse. Ich habe mir dicke Bohnen ausgesucht, die haben nämlich noch in der Tiefkühle gewartet. Womit ich nicht klargekommen bin, ist die Garzeit – José Andrés mag seine Tortilla medium rare. Das ist ok, aber mit insgesamt 2 Minuten Garzeit für eine Tortilla aus 6 Eiern bin war mir dann doch etwas zu rare…

Bouillabaisse ganz ohne Fisch – auf der Basis von Kartoffeln, Fenchel, Tomate, Safran und  – Pastis. Aromatisch einfach super, und der Clou ist die Rouille mit gegrillter Paprika, in die ich mich hätte reinlegen können.

Ich liebe ja Artischocken – und die Idee, sie zu frittieren, ist ein echtes Highlight. Wir haben sie einfach so geknabbert, aber gegen einem Joghurt-Dipp wäre bestimmt auch nichts einzuwenden…

Empanadas sind klar, oder? Das sind herzhaft gefüllte Teigtaschen. Bei José Andrés werden daraus kleinere Täschchen  – empanaditas – mit einer Füllung aus Spinat, Lauch, Kräutern und Feta. Die Teighülle besteht praktischerweise aus gekauften Wan-Tan-Hüllen. Dazu gibt es Joghurt mit geröstetem Knoblauch – wobei ich da mit dem Rezepttitel nicht einverstanden bin. Es müsste gerösteter Knoblauch mit Joghurt heißen, das gibt die Mengenverhältnisse besser wieder.

José Andrés ist mit geschmorten grünen Bohnen aufgewachsen und hielt sie lange für typisch spanisch – bis er entdeckte, dass man dieses Gericht im gesamten Mittelmeerraum isst. Im Buch stellt er eine griechische Variante mit Knoblauch, Chiliflocken und Tomaten vor – das ist sehr fein und geht dank der ebenfalls enthaltenen Kartoffeln auch als Hauptgericht durch.

In Olivenöl und Knoblauch gegartes Gemüse ist in Spanien eine allgegenwärtige Tapa. Klassisch sind Pilze oder Zucchini, aber José Andrés schlägt in einer kurzen Zusammenfassung viele Varianten vor – zum Beispiel Artischocken. Er verwendet tiefgekühlte, die hatte ich da. Schön als kleine Vorspeise – ich werde das mit verschiedenen Gemüsen noch öfter machen.

Ich kaufe ja gerne beim türkischen Gemüsehändler, und wenn es etwas Spannendes gibt, dann nehme ich das auf jeden Fall mit. Im Sommer gibt es zuverlässig frische Wachtelbohnen  – und die sind wie geschaffen für Pochas, den spanischen Bohneneintopf. Die Bohnen garen in einem Saucenansatz (Sofrito) aus Paprika, Zwiebel und Knoblauch, ein Teil des später zugegebenen Gemüses wird püriert und dickt die Sauce an – zutatenbezogene Küche, die aus dem Einfachen etwas Besonderes macht.

Fazit:

José Andrés nimmt uns mit in sein persönliches Gemüse-Eldorado. Sein Ansatz ist unkonventionell und genussorientiert – es gibt so viele Ideen, dass man gar nicht anders kann, als fündig zu werden. Anfänger werden ebenso fündig wie ambitionierte Köche. Und: die Botschaft ist klar – egal wie Du isst, lass Gemüse den Mittelpunkt sein. Dann geht es Dir gut  und die Welt machst Du auch ein bisschen besser.

  • Gebundene Ausgabe: 320 Seiten
  • Verlag: Christian Verlag
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-13: 978-3959614085
  • 39,99
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3 Kommentare

    • Ich bin ja schon zurückhaltender als früher ;-). Aber das hier ist wirklich eine tolle Inspirationsquelle, und auch kurzweilig geschrieben.

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