Gemüse – ich liebe es. Trotzdem habe ich immer wieder das Gefühl, dass hier zu wenig davon auf dem Tisch steht.
Ein Kochbuch, das den Focus ganz auf Gemüse legt, klingt da natürlich interessant. Das Buch kommt von Arthur Potts Dawson. Kennt Ihr nicht? Nun, ich bislang auch nicht. Wir haben da womöglich etwas verpasst. Arthur Potts Dawson kocht seit immerhin 25 Jahren unter anderem bei Jamie Oliver und Hugh Fearnley-Whittingsstall. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit liegt nachhaltigem Wirtschaften: er ist an einem genossenschaftlich organisierten Non-Profit-Supermarkt beteiligt, was ihm über eine Fernsehserie in Großbritannien etwas Prominenz eingetragen hat. Fernehsehkoch ist er auch. Und um dem ganzen noch einen gewissen Glamour-Faktor hinzuzufügen: Arthur Potts Dawson hat einen berühmten Onkel – Mick Jagger nämlich.
Und jetzt zum Gemüse. Unter dem knallbunten Cover (es ist eine Rote-Bete-Suppe, die da so strahlt) verbirgt sich ein Buch, in dem man gerne blättert: mattes Papier, übersichtliches Layout und schöne Foodfotos, die ohne großes Drumherum das Essen in den Mittelpunkt stellen. Ein Lesebändchen gibt es auch.
Nach einer kurzen Einleitung, die einen Saisonkalender und Tipps für die Vorratskammer bietet, geht es an die Rezepte. Die sind unterteilt nach der Botanik: wird fangen an mit Wurzeln und Knollen, machen weiter mit Zwiebelgemüse, Stielen und Stangen, dann kommen Blätter und Blüten gefolgt von Fruchtgemüsen udn Pilzen sowie Linsen, Bohnen und Schoten. Eine Struktur nach der Menüfolge gibt es nicht – man kann sich gerne selbst überlegen, ob man ein Gericht als Hauptgericht, Vorspeise oder anderes auf den Tisch bringen möchte. Alle Rezepte sind für 4-6 Personen berechnet – und die Portionen sind großzügig. Ich habe eigentlich jedes Rezept halbiert, und wir sind mit 2 Erwachsenen und 2 Kindern immer gut satt geworden. Was mir auffällt, ist das Arthur Potts Dawson gerne auf Würzmittel wie Fischsauce, Sojasauce oder Sardellen zurückgreift – das kitzelt das Umami aus dem Gemüse heraus und macht richtig Spaß. In jedem Kapitel gibt es noch kleine Extras: Grundtechniken wie zum Beispiel Püree oder Tomatensauce oder Buffets wie einen Tex-Mex-Grill oder Curry. Zudem sind viele Rezepte mit Variations-Vorschlägen versehen; das vergrößert den Rezept-Schatz gleich nochmal.
Arthur Potts Dawson bleibt nicht beim bekannten stehen: auch ungewöhnliche Gemüsesorten wie Queller, Brennesseln oder Okraschoten bekommen ihren Auftritt. Es dreht sich zwar alles um Gemüse – aber vegetarisch ist das Buch nicht. Fleisch und Fisch haben durchaus ihren Platz.
Trotzdem habe ich etwas zu meckern…nicht alle Rezepte sind hundertprozentig verlässlich…es gibt da durchaus Ausreisser. Über Garzeiten und Flüssigkeitsmengen sollte man manchmal besser selbst nachdenken und sich nicht unbedingt nach dem geschriebenen Wort richten.
Die Schmelzkartoffeln mit Safran werden mit reichlich Butter, Milch und natürlich Safran gegart. Ein optisches Highlight war das nicht gerade: die Milch, die zum Kochen verwendet wird, ist beim Garen ausgeflockt und die knusprige Kruste hat sich leider nicht auf den Kartoffeln, sondern auf dem Topfboden gebildet 🙁 . Geschmeckt haben die Kartoffeln aber gut: sie waren schmelzend weich und hatten eine schöne Safrannote.
Derartige Probleme gab es mit den gefüllten Paprikaschoten nicht: die sind ebenso originell wie gemüsig. Es gibt keine der bekannten Füllungen mit Reis oder Hackfeisch – die Füllung besteht aus Tomaten, die klein geschnitten und gewürzt werden. Als Krönung bekommt jede Schote noch ein Sardellenfilet. Das ganze wird im Ofen gebacken und mit frischen Kräutern bestreut serviert. Die Paprika waren toll: leicht und frisch, und die würzige Sardelle gab genau den richtigen Kick.
Karotte und Ingwer als Suppe, das ist ein Klassiker. Hier wird die Suppe zusätzlich durch mitgekochten Reis angedickt und mit etwas Chili gewürzt. Am Ende kommt noch ein wenig Milch dazu. Aromatisch war die Suppe klasse, aber sie war mit 1 l Gemüsebrühe auf 1 kg Karotten und 50 gr. Reis eher ein Brei als eine Suppe. Ich habe ordentlich Flüssigkeit nachgegeben, um tatsächlich eine suppenartige Konsistenz zu erhalten.
Ich liebe Ochenschwanz, also war klar, dass ich das Ochsenschwanzragout mit Möhren und Meerrettich versuchen musste. Ich hatte ein wenig Angst davor – denn die Menge Meerrettich, die verwendet wird, ist nicht von schlechten Eltern. Der Meerrettich wird nicht als Gewürz eingesetzt, sondern als Gemüse. Er wird in Würfel geschnitten und mitgegart – und das Ergebnis ist ganz erstaunlich mild. Der Ochsenschwanz zart, die Sauce ein Gedicht, wunderbar. Für das Foto muss ich mich entschuldigen: das Gericht muss 3 Stunden schmoren; mir kam Besuch dazwischen und so war es am Ende stockdunkel, als unser Essen endlich fertig war.
Die Penne mit Knoblauch und Rosmarin sind ein einfaches schnelles Essen: Dafür werden Knoblauch und Rosmarin in der Pfanne gebraten und am Ende kommmen Pinienkerne, Mascarpone und reichlich Parmesan dazu. Das ist wirklich einfach, schmeckt aber nach mehr. Ich weiß gar nicht, wer genau diese Riesenportionen eigentlich verdrückt hat…
Ein wenig Angst hatte ich vor dem Rotalo: dafür wird eine Nudelteigplatte mit zwei Füllungen – einer aus Pilzen und einer aus Spinat – bestrichen, zu einer Art Strudel aufgerollt und dann, ähnlich wie ein Serviettenknödel, in ein Küchenhandtuch gewickelt und in kochendem Wasser gegart. Ich war mir nicht ganz sicher, ob das klappen würde. Nun, erfreulicherweise hat es geklappt. Und dann ist die mit Salbeibutter servierte Nudelrolle auch wirklich ein vegetarisches Festessen.
Hühnersuppe kann ich hier immer auf den Tisch bringen. Diese hier wollte mit einer Einlage aus pochierten Schalotten und typisch britischen Klösschen punkten. Die Schalotten waren klasse; sie wurden durch das Pochieren schön süß. Die britischen Klösschen im Eintopf mag ich eigentlich sehr, aber diese hier waren nicht mein Fall: nach Rezept soll der Teig nur aus Mehl, Margarine und Backpulver bestehen. Ich habe mir erlaubt, sie wenigstens zu salzen, aber sie waren immer noch nichtssagend.
Kartoffelgratin mit Artischocken klingt verlockend. Das Gratin ist ein Basis-Rezept….naja. Kartoffeln werden in grobe Scheiben geschnitten, mit den Artischocken, Sahne und Gemüsebrühe in einer Schüssel vermischt und dann bei 180°C im Ofen gebacken. Nach 45 Minuten soll die Flüssigkeit verkocht und alles schön gratiniert sein, sagt das Rezept. Nun, ich habe nach 45 min auf 200 Grade gestellt und nach einer Stunde den Turbogrill auf 220°C zugeschaltet. Nach 1 1/4 Stunden haben ich das Gratin aus dem Ofen geholt. Wir wollten endlich essen. Die Kartoffeln waren gar, aber von Gratin konnte nicht die Rede sein. Mein Mann schaute auf seinen Teller und sagte: „Oh – Kartoffelsuppe!“ Das nächste Mal mache wieder hauchdünne Scheiben und nehme weniger Flüssigkeit…..
So, da waren ja jetzt ein paar Dinge dabei, die mich nicht in Jubel haben ausbrechen lassen. Ich mag das Buch aber dennoch sehr gerne und würde es empfehlen, und zwar einfach deswegen, weil es so eine tolle Inspirationsquelle für den Umgang mit Gemüse ist. Ich werde sicher noch oft darauf zurückgreifen. Das Buch gibt es direkt hier beim Verlag.
Ja, auch wenn eigentlich immer etwas Gemüse oder Salat bei uns auf dem Tisch stehen, habe ich oft das Gefühl – es könnte mehr sein…
Ich werde auf alle Fälle mal ein Blick in das Buch werfen, Deine vorgestellten Rezepte machen Lust darauf!
Die Ideen gefallen mir, und es ist ein Füllhorn. Und genau nach Rezept koche ich sowieso nur, wenn ich rezensiere.
Zu wenig Gemüse gibt es bei uns eigentlich nie, da ich auch bei gemüsearmen Gerichten immer etwas mehr hineinschmuggele. 😉 Ich bin nicht ganz sicher, ab ich das Buch interessant finden soll, solche Fehlangaben finde ich höchst lästig (obwohl ich mich natürlich nicht mehr so blind darauf verlasse, wie früher).
In diesem Fall stören mich die Fehler gar nicht so sehr, weil ich die Ideen mag. Obwohl….natürlich sollte man davon ausgehen, dass alles funktioniert, weil viele Leute sich danach richten….
Ich mag vor allem diese Klarheit/Ehrlichkeit in deinen Rezensionen. Und da du etwas verhaltener rezensiert hast als sonst oft, werde ich mir das Buch erst nochmal in einer Buchhandlung genau anschauen, bevor ich es – evtl. – kaufen werden.
Danke!!
Immer gerne 🙂
Es ist halt so, da gibt es Stolpersteine. Wenn ich die nicht erwähne, kann ich das Rezensieren auch lassen.
das finde ich ja gerade so gut an deinen Rezensionen! Daber: bitte nicht lassen. 🙂
Wir sind uns einig 🙂
Gemüse ist ein Muss in der münsterländer Küche. Und ich vermisse manche Gemüsesorte, die es in Süddeutschland nicht gibt. Diese Spinatrolle in der Serviertte gefällt mir, die werde ich mal probieren. So was ähnliches habe ich mal mit Kartoffelteig und Spinat gemacht.
Die Spinatrolle ist klasse, mich erinnert sie in der Herstellung an Serviettenknödel.
Gemüsekochbücher hab ich ja einige, nicht zuletzt den Klink, den ich nach deiner Rezension diesem Buch vorziehe- auch wenn dort ebenso mitdenken gefragt ist.
Oh….jetzt hast Du mich an den Klink erinnert….
ja gerne!
Danke für diesen mal wieder sehr differenzierten Einblick, Susanne! Das Buch klingt als Ideen-Fundgrube sehr ansehenswert, auch wenn die Rezepte offenbar teilweise mit loser Hand niedergeschrieben wurden. Aber da ich Kochbücher ohnehin häufig eher als Inspiration denn als Nachkoch-Werk nutze, würde mich das genau wie Dich wahrscheinlich in dem Fall nicht so sehr stören – wär’s ein Backbuch, wäre ich hingegen verloren ;-).
Oh ja……bei Backbüchern bitte alles auf’s Milligramm genau…..keine Ahnung, wie viele Jahre ich üben müsste, um hier pi mal Daumen vorgehen zu können und dennoch was Essbares aus dem Ofen zu holen. Womöglich auch eine Frage des Talents 🙂