Wenn ich mich so rechts und links schaue, habe das Gefühl, dass derzeit das Interesse an der osteuropäischen Küche steigt. Für mich ist das Neuland. Ich schaue gern über den Tellerrand und Landesgrenzen hinaus, aber Polen zum Beispiel hatte ich bisher nicht richtig im Visier.
Gut, dass sich das mit diesem Buch von Zuza Zak nun geändert hat. Zuza Zak ist in Polen aufgewachsen. Essen und Kochen hat sie schon immer interessiert – schon als Kind stand sie mit ihrer Mutter in der Küche und schaute sich viel von ihrer Großmutter ab. Heute lebt Zuza Zak in London, arbeitet als Fernsehproduzentin und Food-Journalistin und kocht gerne die Gerichte, die sie an ihre Heimat erinnern.
Ich fange mal von außen an: das ist ein hübsches Buch. Schon das Cover in seinen polnischen Nationalfarben ist ein echter Blickfang. Innen geht es weiter mit einem aufgeräumten, übersichtlichen Layout, das zum Blättern einlädt. Neben den Rezepttiteln finden wir eine Grafik mit einer roten Blume, die uns das Cover in Erinnerung ruft. Sonst ist das Layout angenehm zurückhaltend. Es gibt viele, schön gemachte Fotos: nicht alle Gerichte haben ein Bild bekommen, aber dafür gibt es viele stimmungsvolle Aufnahmen von Landschaften und Situationen, was mir im Grunde auch lieber ist. Essen kann ich mir beim Lesen der Rezepte vorstellen. Stimmung schaffen aber eher Bilder von Menschen, Landschaften, Produkten.
Jetzt zu den inneren Werten: Das Buch startet mit einer wirklich ausführlichen Einführung zur Geschichte Polens, seinen Regionen, zu den Besonderheiten der Jahreszeiten und den verwendeten Zutaten. Da war für mich viel Neues und Wissenswertes dabei. Mir war zum Beispiel gar nicht klar, wieviele Einflüsse aus anderen Länderküchen die polnische Küche im Laufe der Zeit absorbiert hat.
Die Rezepte sind unterteilt in Frühstück und Brot, Suppen, Fleisch, Fisch, Gemüse, Hülsenfrüchte und Kascha, Teigtaschen und Klöße, Partysnacks, Kuchen und Desserts sowie Cocktails. Wenn ich mir die Klebezettelchen in meinem Exemplar so anschaue, dann wartet da noch einiges darauf, probiert zu werden. Rote-Bete-Butter zum Beispiel. Oder die Tomatensuppe mit Putenfleisch und Reis, der große Placek (Kartoffelpuffer) mit Gulasch, die geschmorte Lammleber mit Rote-Bete-Salat, das Erbsen-Karottengemüse (mit einer Mehlschwitze, wo gibt es denn sowas 😉 ). Der Mohnkuchen mit Mandeln klingt toll, genau wie der Blechkuchen mit Mürbteigboden, Salzkaramell und Pekannüssen. Spannende Drinks gibt es auch: eine Rosmarin-Thymian-Aperitif mit Bisongras-Wodka zum Beispiel, oder die Caiprioska mit Heidelbeeren.
Die Rezepte sind gut nachzukochen, auch wenn einige nicht unbedingt super-exakt sind. Die Zutaten sind leicht überall erhältlich. Das Kochbuch stellt klassische polnische Gerichte vor, aber manche Klassiker haben auch einen modernen Anstrich bekommen; die Mischung ist gut gelungen, finde ich.
Was ich besonders gelungen finde: zu jedem Kapitel gibt es eine Einleitung, in der über die Lebensmittel oder Mahlzeiten des Kapitels erzählt wird. Und auch jedes Rezept hat ein kleines, persönlich geschriebenes Vorwort bekommen. Abgerundet wird das Buch durch ein Register, in dem man findet, was man sucht.
Brotrezepte ziehen mich magisch an. Klar, dass ich das Roggenbrot mit Kürbiskernen ausprobieren musste. Das Rezept ist sehr einfach, es werden alle Zutaten kurz verrührt, dann kommt der Teig zum Gehen für 10 Stunden in eine Kastenform. Triebmittel sind lediglich 2 Esslöffel Sauerteig. Herausgekommen ist dabei ein sehr aromatisches, deftiges Brot mit einer etwas kompakten Krume.
Manchmal ist das mit dem Essen fotografieren wirklich ärgerlich. Zum Beispiel bei diesem diesem masurischen Kartoffelkuchen. Sieht schrecklich aus, oder? Hat aber phänomenal geschmeckt. Der Kuchen besteht aus geriebenen Kartoffeln, Speck und Zwiebel, zusammengehalten von Ei und Eischnee.
Zrasy sind Rindsrouladen, gefüllt mit Paprika und Gewürzgurke. Die Sauce besteht aus Rotwein, altbackenem Roggenbrot und Pilzen. Das Ganze hat eine lange Schmorzeit – mit dem Ergebnis von butterzartem Fleisch und aromatischer Sauce.
Kleine Hufe – nein, das ist nichts vom Pferd. Im Grunde sind es kleine Knödel aus Kartoffelteig, nur dass sie nicht rund gerollt werden, sondern schräg von der Rolle geschnitten, so dass sie aussehen wie – genau, kleine Hufe. Serviert werden sie mit gebratenem Speck und Zwiebeln, ein echtes Wohlfühlessen. Ich gestehe, dass mich das Rezept etwas grummeln ließ….“drei große Kartoffeln“ soll man verwenden. Ich hatte keine großen Kartoffeln, glaube ich zumindest. Ich habe eine willkürliche Menge gewählt und bin gut damit gefahren. Aber gerade bei Knödeln können solche Angaben rasch schiefgehen, finde ich.
Als vorläufig Letztes habe ich die Hirse-Falafel ausprobiert. Falafel ist nicht ganz der richtige Ausdruck, finde ich. Es handelt sich um kleine Bällchen aus gegarten, pürierten Kichererbsen und Hirse. Das Ganze wird in der Pfanne vorgegart und dann mit Käse überbacken. Im Buch gibt es dazu einen interessanten Salat aus Tomaten und Gewürzgurken, den ich in der Tomatensaison unbedingt mal ausprobieren muss. Ich habe statt dessen Rote-Bete-Salat mit Joghurt aufgetischt.
Fazit: Wer Lust hat, sich die polnische Küche einmal näher anzuschauen, der tut mit diesem Buch einen guten Griff. Es bietet klassische und moderne polnische Rezepte in einer guten Mischung. Und es erzählt viele interessante Geschichten über die polnische Geschichte und Esskultur.
- Gebundene Ausgabe: 256 Seiten
- Verlag: Knesebeck
- Sprache: Deutsch
- ISBN: 978-3868739589
- € 29,95
Ponische Küche? Das ist auch für mich Neuland! Naja, bis auf Pierogi 😉 Die gibt’s bei mir immer wieder mal hehe. Die Gerichte wirken auf mich jedenfalls sehr ansprechend, da hatte es gleich zwei, drei, die ich gerne probieren würde. Jedenfalls kenne ich jemanden, der sich sehr über dieses Buch als Geschenk freuen wird. Und ich muss dann einfach schauen, dass wir bald mal zusammen kochen werden 😉
Pierogi kannte ich auch – selbstredend ;-). Aber sonst sind viele Überraschungen dabei.
Ich verbinde schlesisches und ostpreußisches mit der polnischen Küche, was sicherlich nicht ganz richtig ist. So ist es gut, dass es jetzt ein solches, frisches Kochbuch gibt. Danke für die, wie immer gut zu lesende Buchvorstellung, die bei mir Lust auf mehr macht.
Diese Küchen gehören sicherlich auch dazu, aber ich finde es spannend zu erfahren, dass es da noch viel mehr gibt.
ja, das ist es in der Tat 🙂
Heute bin ich ausnahmsweise nicht anfixbar, denn ich habe „mein“ polnisches Kochbuch schon gefunden. 🙂
Das ist doch auch mal gut 🤗.
Deine Rezension ruft ein zwiespältiges Gefühl wach- Pecans halte ich nun nicht gerade für typisch polnisch. Für mich wäre wohl ein traditionelleres Buch besser.
Und daher wieder einmal- danke für eine hervorragende, aussagekräftige Rezension nach der ich mir ein Bild machen konnte.
Ach, ich mag das ganz gern. Für mich stimmt die Mischung aus traditionellen und modernen Gerichten.
vielleicht bin ich gelegentlich schon vom Alters-Starrsinn befallen…
Ne. Man hat einfach so seine Präferenzen.
Ja, toll schmeckende Gerichte sind oft schwierig zu fotografieren. Das erklärt sicher auch, warum nicht jedes Gericht bebildert sind 😉
So ist es :-).
In Osteuropa hat es noch so viele weiße Flecken auf meiner virtuellen Reise- und Essens-Landkarte…
Spannend finde ich, dass es nicht nur traditionelle Rezepte sondern auch modernisierte sind. Ehrlich gesagt will ich auch kein deutsches Kochbuch der 1950er Jahre sehen, sondern freue mich an dem, was die letzten Jahre dazu gekommen ist und im Land zu etwas neuem frischen angepasst wurde. Das scheint hier sehr gelungen. Und von außen sieht’s auch klasse aus. Danke für die schöne Rezension.
Die weißen Flecken gibt es bei mir auch, aber langsam füllen sie sich ein wenig. Und den Spagat zwischen Tradition und Moderne finde ich gelungen. Hier macht man ja auch einiges anders als früher.
Ich möchte das Buch auch sehr und teile ganz deine Eindrücke. 🙂
Dann sind wir uns einig :-).
Eine tolle Rezension. Gerade die Knödl und die traditionellen Gerichte würden mich interessieren. Danke für den Tipp!
Danke 🙂 Mal sehen, ob Dir die ausgewählten Rezepte helfen ;-).
Damit liebäugel ich auch, im letzten Sommerurlaub habe ich diese doch recht deftige Küche mit Mehlspeisen und Buchweizengerichten sehr genossen. Auch die Rote Beete konnte damals wieder einiges an Pluspunkten sammeln. Gibt es den auch ein Zurek Rezept im Buch? …hach Susanne ich glaub ich hab hier einiges verpasst bei dir… und irgendwie sieht es hier auch anders aus, kann das sein? Liebe Grüße und noch frohe Ostern!
Ja, es gibt Zurek im Brotlaib.
Ja, ich habe vor einiger Zeit ein wenig aufgeräumt und umgebaut; jetzt finde ich es endlich wohnlich.
…oh das ist toll, dann wird das wohl ein baldiger Neuzugang. Und ich finde es auch sehr gemütlich bei dir :))