Die Kochgarage ist eine Institution in München. Oder zumindest auf dem besten Weg, eine zu werden :-). In der Event-Location wird gekocht, was die Kühlschränke hergeben. Es gibt nicht nur die Möglichkeit, zum Beispiel Firmenfeiern zu buchen, sondern auch Kochevents – ein Thema wird vorgegeben, und wer sich rechtzeitig anmeldet, darf mitmischen. Allerdings muss man nicht unbedingt in München wohnen, um die quirlige Inhaberin Graciela Chucchiara zu kennen – eifrige Kochsendungs-Gucker kennen sie womöglich aus der ersten Staffel von „The Taste„.
Und jetzt also ein Kochbuch. Was erwartet uns denn da? Zunächst einmal ein flippiges Layout: Schwarz und rot sind die vorherrschenden Schrift-Farben, es gibt viele Fotos….von Zutaten, von den Menschen, die in der Kochgarage arbeiten, von Zutaten, die in Retro-Kühlschranken zu besichtigen sind, von der Location selbst. Natürlich auch von den fertigen Gerichten – allerdings sind die Fotos da nicht immer aussagekräftig.
Die Rezepte wollen zum Improvisieren einladen. Es wird davon ausgegangen, dass so ziemlich jedes Lebensmittel und jedes Küchengerät durch ein anderes ersetzt werden kann. Entsprechend ist der Rezeptteil strukturiert: Jedes Kapitel geht von Basiszutaten aus, die man im Kühlschrank haben sollte. Daraus werden dann mittels unterschiedlicher Aromen und weiterer Zutaten ganz verschiedene Gerichte.
Ein Beispiel? Das erste Kapitel ist überschrieben mit „Auf der Wiese“. Das Thema ist Fleisch, flache Ochsenschulter. Je nach Vorratslage entsteht daraus entweder ein Ochs am Weinberg aus Franken oder Mrs. Bups Schmortopf aus Vietnam. Aus der Kalbsnuss wird jamaikanischer Kälber-Reggae oder italienische Kalbsnuss „Zitronenmelodie“. In weiteren Kapiteln mit so blumigen Namen wie „In der Luft“ „Durchgedreht“, Im Wasser“, „Aus Zucker“ oder „Nach der Party“ finden wir Rezepte zu den Themen Geflügel, Wild, faschierte Massen (also Fleischbällchen, Fischbällchen, Teigtaschen), zu Fisch und Meeresfrüchten, Vegetarischem, Nachtisch, Resteverwertung und Katerfrühstück.
Zu den Rezepten: da steht in schwarzen Blöcken markiert, um was für Grundzutaten es geht. Darunter gibt es eine Liste mit allen benötigten Zutaten. Zu sehr vielen Zutaten werden Alternativen angegeben. Kein altbackenes Schwarzbrot im Haus? Gut, dann eben Pumpernickel, oder Laugenbreze oder auch Graubrot nehmen. Ochsenschulter ist aus? Dann halt Kalbsbeinscheibe, Eisbein oder Lammkeule nehmen. Schließlich gibt es noch eine Auflistung der Aromen, die das Gericht jeweils zu dem machen, was es ist. Auch die benötigten Küchengeräte werden aufgelistet. Es wird auch jeweils angegeben, für viele Personen das Gericht reicht, sowie eine ungefähre Zubereitungsdauer. Klasse ist, dass es zu jedem Kapitel Ideen zur Restverwertung gibt. Und zu vielen Rezepten gibt es ein paar einleitende Worte von den verschiedenen Kochgaragen-Mitarbeitern, das wirkt schön persönlich.
Die Grundidee, sich vom Inhalt des Kühlschranks und der Vorratskammer inspirieren zu lassen und Rezepte nach Kräften zu variieren, finde ich toll. Die Rezepte haben auch gut funktioniert. Dennoch fand ich es ein wenig anstrengend, die Rezepte auszuprobieren. Das liegt an der Struktur der Rezepte – und an den Titeln. „Schwimmende Chinesen“, „Nuss und Käse-Tango“ – man ahnt nicht gleich, was sich dahinter verbirgt. Und oft erfährt man es erst nach sorgfältigem Studium des Rezepts. Die Zutatenlisten und Rezepte nicht immer kurz, da fehlt mir etwas Struktur. Zutaten und Arbeitsschritte sind der Reihenfolge nach aufgeführt, aber nicht weiter untergliedert. Das ist etwas unübersichtlich. Ich würde mich leichter tun, wenn zum Beispiel für die „Teigtaschen Easy Goa“ Zutaten und Anleitung ein wenig gegliedert wären nach Teig, Füllung und Chutney; das erleichtert einfach die Arbeitseinteilung. Und eine Sache ist mir noch aufgestoßen: es wird fast ausschließlich Fleur de Sel zum Salzen verwendet. Irgendwo steht sogar der Tipp, man könne es im Mörser zerreiben, um feines Meersalz zu erhalten. Dafür ist mir Fleur de Sel dann doch zu kostbar, das verwende ich nur zum Finish. Wenn ich es zerreibe, dann mache ich ja die knisternde Struktur kaputt.
Dennoch – wenn man den Rezepten folgt, dann gibt es gutes Essen:
Kugelige Fische aus dem Orient – das sind Fischbällchen, aromatisiert mit Gewürzen aus dem Orient. Serviert werden sie auf einem Bett von Karotten und Lauch, für einen zusätzlichen Kick sorgt Chermoula.
Hinter den „Sündigen Zitronen“ verbirgt sich ein Tiramisu. Die Mascarpone-Creme wird mit Zitronenschale und -saft armomatisiert, die Löffelbisquits in Holunderblütensirup getränkt. Tiramisu ist der Lieblingsnachtisch von Mann und Sohn. Die Herren haben beschlossen, dass das beste Tiramisu von Herrn Lafer stammt, Experimente werden ungern gesehen. Das Zitronen-Tiramisu wurde von den beiden abgenickt – mehr muss ich wohl nicht sagen…..
Fleischbällchen kann ich hier immer auf den Tisch bringen – und so haben auch die „Oma-Lita-Fleischbällchen“ Spaß gemacht. Die werden eigentlich in einer Sauce aus 2 kg Tomaten serviert – diese Menge habe ich halbiert und das hat gut gereicht. Zu den Fleischbällchen wird Polenta gereicht. Die wird mit Wasser gekocht und anschließend mit Butter und Sahne verfeinert – das fand ich etwas langweilig. Ich finde, Polenta gewinnt sehr, wenn man sie in einer Mischung aus Brühe und Milch gart.
Wenn man das Rezept für die Auberginen à la provencale bis zum Ende gelesen hat, dann erfährt man, dass es sich am gratinierte Auberginen mit Tomatensauce und Ziegenfrischkäse handelt, zu denen ein Kartoffelsalat serviert wird. Der Duft der Provence kommt durch Lavendelbüten an das Essen – sehr fein. Allerdings bin ich auch hier wieder mit sehr viel weniger Tomatensauce ausgekommen.
Eigentlich bin ich ja kein Smoothie-Fan; ich habe lieber etwas zu beissen. Den Morning Matcha aus Avocado, Kokosmilch, Milch, Joghurt und Matcha musste ich dennoch testen – und er hat mir gefallen. Hat gut geschmeckt, pappsatt gemacht und dank des Matcha auch putzemunter.
Wir brauchen ein Fazit. Mir gefällt die Grundidee des Buches sehr gut; es gibt viele originelle, internationale Rezeptideen für (fast) jede Lebenslage und (fast) jeden Kühlschrankinhalt. Etwas Kocherfahrung sollte man allerdings mitbringen, sonst verliert man die Übersicht. Das Kapitel mit den vegetarischen Gerichten nimmt im Vergleich zum Rest eher wenig Raum ein; für Vegetarier lohnt sich das Buch also eher nicht.
- Gebundene Ausgabe: 200 Seiten
- Verlag: Südwest Verlag
- Sprache: Deutsch
- ISBN: 978-3517093239
- € 24,99
Das Buch habe ich mir am Samstag auch in der Bücherhalle angesehen. Aber irgendwie war es mir zu „peppig“. Vielleicht werfe ich doch noch einmal einen zweiten Blick hinein. 🙂
Naja, mir auch. Ich kam mir beim Lesen des Ganzen manchmal recht alt vor, „Sündige Zitronen“ statt Zitronentiramisu, so ganz meine Kragenweite ist das nicht….
Von außen gefällt mir das Buch sehr gut, deine Beschreibung allerdings überzegt mich eher Abstand zu halten. Zumal ich eh am Abspecken bin- zumindest was Bücher angeht.
Es sind gute Ideen drin, aber mit der Rezeptstruktur habe ich etwas gekämpft.