„In Nickys Veda geht es nicht um Regeln, Gebote oder Verbote, um koronare Herzerkrankungen oder um die sieben Plagen. Es geht um Erfahrungen, Möglichkeiten und immer auch um Genuss und Lebensfreude. Nickys Veda ist eine Einladung, gut zu essen – und nebenbei auch seiner Gesundheit etwas Gutes zu tun.“
Es geht um Ayurveda. Nicht im Sinne von irgendwas, das in Indien oder auf Sri Lanka stattfindet, sondern um Ideen, die sich leicht in den westlichen Alltag integrieren lassen.
Geschrieben hat das Buch Nicky Sitaram Sabnis. In Indien geboren und dort zum Koch ausgebildet, war er ein erfolgreicher Inhaber von Restaurantketten, bis sein Leben aus den Fugen geriet. Er kam nach Deutschland, ging durch eine große Krise und leitet nun seit 1998 die Ayurveda-Seminarküche im Kloster Frauenwörth auf der Fraueninsel im Chiemsee. Er bietet auch regelmäßig Kochkurse an.
Die Fraueninsel ist sehr schöner Ort – kommt mal schauen, ich nehme Euch kurz mit:
So. Jetzt aber zum Buch. Das ist erst mal ganz schön poppig aufgemacht – Farben und Grafik sind ein Gruß aus Indien. Die Textseiten sind farbig unterlegt; wobei die Farben zwar kräftig sind, aber auch gedeckt. Bunt, ohne in den Augen wehzutun. Es gibt sie eine oder andere Zierleiste oder Rabatte. Fotos gibt es viele. Das Essen ist gekonnt in Szene gesetzt, auch schön hergerichtet, aber keinesfalls überstylt. Fotos vom Autor und seinen Mitstreitern gibt es auch. Insgesamt ist das Layout fröhlich, aber nicht zu überladen. die Übersichtlichkeit bleibt gewahrt.
Und jetzt komme ich immer noch nicht zu den Rezepten. Das Buch startet nämlich nach einem sehr persönlichen Vorwort sinnvollerweise mit einer Einführung zum Ayurveda. Wir erfahren Wissenswertes über die Grundlagen des Ayurveda, nämlich die Elemente Äther/Raum, Luft, Feuer, Wasser und Erde. Weiter geht es mit der individuellen Konstitution des Einzelnen: überwiegen in der Person Äther und Luft, so ist die persönliche Veranlagung Vata – der der Bewegungstyp. Feuer und Wasser erzeugen Pitta – alles ist im Wandel. Und wenn Wasser und Erde überwiegen, dann ist man ein stabiler Vata-Typ. Es gibt im Buch auch einen kleinen Fragebogen, der einem hilft, sein Dosha – so heißen die Typen – zu bestimmen. Ihr seid neugierig? Ok, ich bin Pitta-Vata. Man könnte das ganze als Esoterik abtun, aber eigentlich kennt man das Prinzip doch auch im Westen….da gibt es den geduldigen Phlegmatiker (das wäre wohl der geerdete Kapha-Typ) oder den ungeduldigen Choleriker….wohl eher Vata 🙂 Die Typen sind kein Selbstzweck. Gesund bleibt ein Mensch, wenn die Elemente im Einklang sind, überwiegt eines, kommt es zu Problemen. Einfaches Beispiel? Ein träger Kapha mit langsamer Verdauung, der kalt, fettreich und schwer verdaulich isst….Ihr wisst Bescheid. Das nächste Kapitel widmet sich den verschiedenen Geschmacksrichtungen und ihren Wirkungen: süß, sauer, salzig, scharf, bitter und herb. Dann wird erklärt, wie man es am besten schafft, seine Veranlagung in der Balance zu halten
Jetzt aber zu den Rezepten. Da geht es nicht darum, irgendwas zu heilen – das wäre dann auch eher Sache des Arztes oder Therapeuten. Vielmehr sind die Gerichte so konzipiert, dass sie für jeden Typen passen. Es geht eher um die Wahrung des Gleichgewichtes. Erreicht wird das recht einfach – nämlich dadurch, dass in jedem Gericht alle Geschmacksrichtungen vorkommen. Um das zu erreichen, arbeitet Niki Sitaram Sabnis mit Gewürzmischungen – und genau die machen den Anfang des Rezeptteils aus. Außerdem gibt es noch Rezepte für Basis-Saucen, ein paar Blitzgerichte und Küchentipps für entspanntes Kochen. Hat man sich hier eine Basis geschaffen, steht das Essen rasch auf dem Tisch und der Lieferdienst kann einpacken. Besonders sympathisch finde ich, dass Niki schreibt, dass es mehr Spaß macht und günstiger ist, die Mischungen selbst herzustellen, als sie online zu kaufen. Immerhin betreibt er ja einen Versandhandel mit Gewürzen und Mischungen…..
Weiter geht es mit Chutneys und Dips – Koriander-Minze, Quitte-Ingwer, Oliven-Petersilie…… Dann Frühstücken wir. Naja, ich bin da meist mit einem Marmeladenbrot, Kaffee und Obst am Start. Vergleichsweise phantasielos verglichen mit süßer Polenta, deftigen Brotstreuseln oder pikanten Reisflocken. Weiter geht es mit Suppen, Broten und Snacks. Würzige Garnelensuppe, verschiedene Brote und Snacks wie die Reispfannkuchen Dosai oder Samosas locken. Die warmen Hauptspeisen sind unterteilt in vegetarische Gerichte mit Getreide oder Reis, mit Hülsenfrüchten oder mit Gemüse. Aber es gibt auch Fisch und Fleisch. Und natürlich bekommen wir auch Nachtisch. Da gibt es europäisches wie Quitten-Birnen-Creme, aber auch Kokos-Laddu. Ach, ein Extra-Kapitel ist der Kinderküche gewidmet. Hier locken Kicher-Spätzle, hausgemachtes Ketchup oder Sellerie-Pommes.
Die Rezepte sind Fusion-Food im besten Sinne. Es gibt viel Indisch-Ayurvedisches, und viele Deutsches (oder soll ich schreiben bayerisches), das nach Ayurveda-Kriterien umgearbeitet wurde. Die Rezepte sind in Ordnung. Manchmal bin ich über Widersprüche zwischen Zutatenliste und Rezept gestolpert. Die Garzeiten für das Gemüse waren mir manchmal zu knapp bemessen. In vielen Rezepten findet man die Angabe: ein Becker gewürfeltes Gemüse nach Wahl – allerdings nur in solchen Rezepten, in denen die Menge des Gemüses nicht ausschlaggebend für das Gelingen ist. Mich hat immer wieder der ausgewogene Geschmack der Gerichte beeindruckt.
Aber halt – Rezepte sind nicht alles. Im Buch gibt immer wieder kleine Einschübe mit Küchentipps, Geschichte aus dem Leben des Autors und Geschichten aus den Kochkursen oder von Menschen, die ihm wichtig sind. Das Buch ist sehr persönlich gehalten.
Ich habe viel geschrieben. Ihr müßt was essen:
Den Anfang machte einfaches Familiengericht: Makkaroni mit Pilzen. Im Original Austernpilze, bei mir Champignons. Die werden serviert mit einem Topping aus Rührei und Frühlingszwiebeln. Gewürzt wird mit Sojasauce und Reisessig. Einfach und gut.
Die Linsenbratlinge waren ein wenig schwierig. Die Masse der Bratlinge besteht gegarten Puy-Linsen, Kartoffeln und Tomaten, für den Halt sorgt etwas Reismehl. Gegart werden die Patties im Ofen – und das ist ein Glück, denn meine waren sehr weich; beim Wenden in der Pfanne wären sie sicher zerfallen. Geschmacklich aber gibt es nichts zu meckern – mild-würzig und sehr ausgewogen. Auch die im Ofen gegarte Gemüsebeilage war fein.
Eine allzugroße Freundin von Ersatzprodukten wie Sojaschnetzeln bin ich nicht…..aber neugierig bin ich doch. Deshalb musste ich die Bolognese-Sauce ausprobieren. Sojaschnetzel, Tomaten in meinem Fall aus der Dose), ein paar Gewürze – einfach und gut. Eigentlich wird die Bolognese auf gekochtem Buchweizen serviert – nun, Töchterchen bestand auf dem geliebten Spaghetti.
Kartoffelgerichte aus Indien stehen bei uns hoch im Kurs – eintsprechend oft habe ich auch schon das Kartoffel-Blumenkohl-Curry Alu Gobhi zubereitet. Nickys Variante ist ein wenig anders: die Kartoffeln werden separat vorgegart; die Soße besteht aus Tomaten und Reismilch. Das schmeckt leichter als meine Variante mit Joghurtsauce, ist dafür aber auch nicht so cremig. Beeindruckt hat mich auch hier wieder, wie ausgewogen das Gericht gewürzt ist. Nicht so toll fand ich das Naan, das ich dazu serviert habe. Die Rezepte für Fladenbrot im Buch basieren alle auf demselben Teig, der ohne Treibmittel auskommt. Das Naan, das ich aus dem Ofen gezogen habe, erinnerte eher an Knäckebrot als an das weiche indische Fladenbrot.
Ich mag Kichererbsen sehr und auch Kichererbsenmehl. Klar, dass ich neugierig war auf die Kicherspätzle; Spätzle aus Kichererbsenmehl, Kokosmilch und Gewürzen. Die Spätzle waren einfach zu machen und haben uns sehr gut geschmeckt. Einziger Wermutstropfen – das Rezept war sehr knapp bemessen. Spätzle aus 100 gr. Kichererbsenmehl haben für uns nicht gereicht; ich habe die Menge verdoppelt. Das Rezept stammt aus dem Teil des Buches, der sich mit Kindergerichten befasst, und so wurden die Spätzle mit „Kindercarbonara“ serviert. Kurz angeröstete Polenta für die Bindung, Pilze, getrocknete Tomaten, Kokosmilch. Fein. Das einzige Rätsel war die Zutatenliste – 6 Karotten stehen da am Anfang; die kommen im weiteren Rezept nie wieder vor.
Kohlrabi steht hier viel zu selten auf dem Tisch – der Kokos-Kohlrabi kam also gerade recht. Der Name sagt es schon – der Kohlrabi wird gegart und Kokosmilch zum Fertigstellen verwendet. Im Rezept wird der der Kohlrabi püriert – ich habe ihn stückig gelassen. Und ich weiß jetzt, dass Kohlrabi und Kokos gut zusammenpassen.
Kheema-Danshag ist ein herzhaftes, scharfes Gericht aus verschiedenen Gemüsesorten, Linsen und Lammhack. Gemüse und Linsen werden in Wasser vorgegart, das Hackfleisch mit anderen Gemüsesorten gebraten. Am Ende kommen die vorgegarten Linsen mit der Kochflüssigkeit in die Pfanne – das ganze ergibt ein Gericht mit Sauce. Ein wunderbares Essen – und noch ein Rätsel, denn in der Zutatenliste steht eine Aubergine, die im Rezept nicht wieder vorkommt.
Für das Goan Fishcurry wird zuerst die Sauce hergestellt: Frische Kokosnuss, Zwiebel, Knoblauch und Chili werden gegart und dann mit Wasser zu einer Sauce gemörsert oder gemixt. Die vorher mit Cayennepfeffer, Kurkuma und Salz gewürzten Fischstücke werden in der Sauce gegart. Das Ergebnis ist zarter Fisch in einer würzigen Sauce mit einer schönen Kokosnote.
Wenn es um neue Zubereitungsideen für Blumenkohl gibt, freue ich mich immer. Wie klingt „Blumenkohl in Erdnuss-Sojasauce“? Dafür werden gesalzene Erdnüsse mit Reismlch gemixt. Der Blumenkohl wird angebraten, dann mit der Erdnussmischung, mit Sojasauce und etwas Wasser fertig gegart. Auch hier hat mir wieder die ausgewogene Würze besonders gut gefallen.
Jetzt brauchen wir ein Fazit: der bayerische Rundfunk hat in seiner Reihe „Lebenslinien“ mal eine Dokumentation über Nicky Sitaram Sabnis gedreht. „Der Hindu von der Fraueninsel“ hieß die Sendung, die ich blöderweise verpasst habe. Aber die Formulierung trifft es – das Buch präsentiert ayurvedische Küche, die sich gut in unseren Alltag integrieren lässt. Auch wenn die Rezepte manchmal ein wenig klemmen findet man viele Inspirationen. Darüber hinaus ist das Buch ein sehr persönliches – es macht große Freude, darin zu lesen.
- Gebundene Ausgabe: 240 Seiten
- Verlag: Irisiana
- Sprache: Deutsch
- ISBN: 978-3424152609
- € 24,99
Hier steht auch ein Buch von Nicky, aber ich werde damit nicht warm. Nach einem absoluten Fail mit einer ayurvedischen Pizza verschwand das Buch im Schrank und ich konnte mich bisher nicht motivieren, nochmal was draus zu kochen. Vielleicht sollte ich dann doch nochmal… 😉
hüstel…ich musste beim Lesen auch manchmal ein ein wenig schlucken und mir überlegen, ob das nun passt. Vielleicht habe ich das ausgesucht, was passt 🙂 Was mich auf jeden Fall beeindruckt hat, war wie ausgewogen die Geschmäcker waren. Vielleicht gibst Du dem Buch eine zweite Chance und versuchst es mit etwas indisch-ayurvedischem? Wobei, mir geht das durchaus auch so, dass ich mit manchem Buch nicht warm werden kann – ich sage nur Ceviche…grr…..
Oha, ayurvedische Küche kann man tatsächlich essen? Die hat mich bisher genau gar nicht gereizt. Ich nehme an, du stellst noch ein Rezept vor? Das werde ich dann ausprobieren.
Ja, kann man. Die indischen Gerichte ja sowieso. Bei den „Fusion“-Sachen, da kommt es vielleicht ein bisschen auf die Auswahl an 🙂
Ayurvedisch würzen und kochen…. irgendwie hat sich das bei mir im Alltag ziemlich verlaufen. Hast du denn einen Kurs besucht?
Nein, kein Kurs. ich habe im Hinterkopf, dass ich gerne einen Kurs bei Nicki machen würde. Weil er so sympathisch rüberkommt. Und weil ein Wochenende auf der Fraueninsel einfach traumhaft wäre. Aber bis jetzt ist es nicht dazu gekommen.
Du wirkst ziemlich begeistert. Bin sehr gespannt auf die Rezepte!
Und wenn ein Autor undogmatisch daherkommt, ist das auf jeden Fall schon einmal äußerst sympatisch. 🙂
Wie gesagt, manche Rezepte sind ein wenig holprig. Aber ich mag einfach die Richtung, in die das ganze geht. Und die ausgewogenen Geschmacksrichtungen, die haben mich bei jedem Gericht beeindruckt.
oha, mir geht es da wie Tina,, ich habe auch ein Buch von ihm. Erst war ich sehr begeistert, bis ich dann anfing nachzubasteln. Irgendwie werden wir keine Freunde. Was mich allerdings auch extrem störte, sind die ganzen Tofu- und Sojaverwendungen. Ist das in diesem Buch auch so?
Nein, so extrem ist es nicht. Ich glaube, es gibt ein Rezept mit Soja-Hack. Und es wird halt keine Kuhmilch verwendet, da wird auf Ersatz zurückgegriffen.
Fusionküche nach Ayurveda Prinzip macht mich natürlich sehr neugierig 🙂 Danke für deine wie immer ausführliche Rezension. Da muss ich die Fraueninsel bald mal wieder besuchen 😉
Liebe Grüße, Semiha
Die Fraueninsel lohnt immer….ich schmiede immer Umzugspläne, wenn ich da bin 🙂