Kochbuch: Das Leben ein Fest | Anissa Helou

Anissa Helou wurde als Tochter eines syrischen Vaters und einer libanesischen Mutter im Libanon geboren. Mit 21 verließ sie den Libanon, um in London Innenarchitektur zu studieren. Anschließend arbeitete sie für das Auktionshaus Sothebys, eröffnete einen Antiquitätenladen in Paris und lebte einige Jahre als als Beraterin der Herrscherfamilie in Kuwait. 1994 veröffnete sie ihr erstens Kochbuch; es drehte sich um die libanesische Küche. Viele weitere Bücher folgten und heute ist sie eine Autorität, was die Küche des mittleren Ostens angeht.

Dieses Buch hier geht aber weiter – es befasst sich mit der Küche der gesamten islamischen Welt. Es umfasst die Länder des Nahen Ostens, die islamisch geprägten Länder Nordafrikas und Schwarzafrikas, Afghanistan, den Iran, Indien und Pakistan und geht bis nach Indonesien und Malaysia.

Die Rezepte sind thematisch geordnet: wir beginnen mit Brot und Gerichten mit Brot, dann folgt ein Kapitel mit tierischen Produkten, womit nicht nur Fleisch gemeint ist, sondern auch Eier, Käse und Joghurt. Schließlich gibt es Getreide, Hülsenfrüchte und Pasta und Meeresgetier. Ein Kapitel widmet sich Gewürzen und Gewürzpasten, eines weiteres dem Gemüse und den Schluß bildet Süßes.

Spannend finde ich, dass die Rezepte aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet werden: viele Gerichte gibt es ja in verschiedenen Länder, und da werden alle Rezepte aufgeführt – man kann also gut vergleichen. Ich picke als Beispiel mal Biryani heraus, ein Gericht, dass für mich bisher typisch für Indien war. Typischerweise wird Reis mit Fleisch und/oder Gemüse in einen Topf geschichtet und dann alles zusammen im verschlossenen Topf gegart. Hier gibt es nun nicht nur 5 verschiedene Biryanis aus Indien, sondern auch ein Biryani aus den Emiranten, für das der Reis mit Sauce geschichtet wird; das Fleisch wird gesondert dazu gereicht. Für die indonesische Variante hingegen werden Zicklein und Kokosmilch verwendet.

Das Buch beschränkt sich nicht auf Rezepte – es ist mehr als ein Kochbuch. Es gibt nicht nur zu jedem Gericht eine Einführung, die uns Geschichte und Zubereitungsart erklärt, sondern auch zu jedem Kapitel eine kenntnisreiches Vorwort. Zwischendurch gibt es Warenkunden – wie zum Beispiel für Milchprodukte -, eine Geschichte darüber, wie man einen Kamelhöcker brät und vieles Spannendes mehr.

Kamelhöcker ist natürlich sehr exotisch, aber im Großen und Ganzen gibt es bei der Beschaffung der Zutaten keine Probleme  – für Gewürze sollte man auf einen türkischen Lebensmittelhandel oder einen Asiashop zurückgreifen können. Die Rezepte sind übersichtlich gestaltet und nachvollziehbar erklärt, dennoch hat es bei mir ein paar mal etwas gehakt. Das Buch präsentiert ja eine große Bandbreite, insofern gibt es sehr einfache Alltagsgerichte, die man mal eben aus dem Handgelenk schüttelt, aber auch aufwändige Festtagsgerichte, für die man lange in der Küche steht.

Kurz noch ein Wort zu den äußeren Werten: das ist ein wunderschöner, hochwertig gestalteter Band mit Fadenheftung und zwei Lesebändchen. Die Foodfotos sind atmosphärisch in Szene gesetzt; immer wieder findet man auch Bilder von Menschen, Landschaften und Märkten. Allerdings hat nicht jedes Gericht ein Foto bekommen.

Im Buch gibt es mehr als 300 Rezepte – und einen Großteil davon hätte ich am liebsten sofort ausprobiert. Entsprechend lang ist die Liste der Dinge geworden, die ich ausprobiert habe:

Meine Begeisterung war groß  – der Start beim Nachkochen aber etwas holprig. Mir war so nach Auberginen; die Pide sollten es sein. Letztendlich waren die auch fein – aber der Teig war viel zu weich, ich musste ordentlich Mehl nachgeben und habe beim Formen immer noch gegrummelt.

Wir lieben Linsensuppe – und es gibt eine reiche Auswahl an Rezepten im Buch. Ich habe mich für die ägyptische Variante entschieden: diese wird mit roten Linsen gekocht, außerdem werden Zucchini und Karotte mit verabeitet. Gewürzt wird mit gebratener Zwiebel, Kreuzkümmel und Zitrone – das war fein; allerdings habe ich mehr Flüssigkeit gebraucht als angegeben.

Es ist Crossover, aber zur Suppe habe ich Anjero serviert. Das ist ein weiches Fladenbrot bzw. ein Pfannkuchen aus Somalia. Die Herstellung erinnert etwas an das äthiopische Injera – und auch die Bezeichnung klingt danach, denn es wird zunächst ein Sauerteig angesetzt. Weiche Fladen mit kleinen Löchern an der Oberfläche sind das Ergebnis – gut zu gebrauchen als Besteck, oder auch, um sie als Süßspeise zu servieren.

Mie Aceh sind scharfe Nudeln mit Garnelen aus Indonesien. Es wird eine Sauce gekocht, die auf einer Gewürzpaste fußt, dazu kommen Tomate, Lauch Garnelen und Gemüsebrühe. Später gesellen sich noch Weißkohl und Bohnensprossen dazu. Das Ganze ist geschmacklich super ausbalanciert und macht richtig Spaß. Schräg, aber passend: die Nudeln werden mit Gewürzgurken serviert.

Das Kichadi, ein traditionelles indisches Gericht mit Reis und Hülsenfrüchten, fiel leider nicht so gut aus. Es werden Mungbohnen verwendet, die vor dem Garen angeröstet werden. Leider erhöht die knusprige Hülle die Garzeit sehr, und die Bohnen wurden nicht zeitgleich mit dem Reis gar. Beim nächsten Mal würde ich sie gesondert vorgaren.

Die algerischen Fischplätzchen erinnern ein wenig an die klassisch britischen Fishcakes; immerhin ist es eine Mischung aus Fisch und Kartoffelpüree. Der Fisch wird vorgegart und zerpflückt, gewürzt mit gebratenen Zwiebeln, Petersilie und Chiliflocken. Sehr fein. Die Masse ist vor dem Braten recht fragil, und von den im Rezept geforderten drei Eiern habe ich nur eines gebraucht.

Zu den Fischplätzchen gab es Blumenkohl in Tomatensauce. Ich liebe ja Blumenkohl, und dieses Rezept ist ebenso einfach wie genial – der Blumenkohl wird schlicht in einer mit Paprika gewürzten Tomatensauce gegart.

Kabap Hommus sind Kichererbsenbällchen, wie sie in Katar gegessen werden. Die Fritter werden aus Kichererbsenmehl gemacht, außerdem sind viele Kräuter in der Masse. Dazu gibt es einen Dipp auf Tamarindenbasis, der einen schönen säuerlichen Ausgleich zu den erdigen Bällchen gibt.

Ich liebe ja gefüllte Weinblätter, und im Buch gibt es zwei Rezepte dafür. Ich habe die persische Variante ausprobiert: Die Füllung besteht aus Rundkornreis, Lammhack, Schälerbsen und reichlich Kräutern. Gegart wird in einem säuerlichen Tamarindensud, was richtig schön frisch-säuerliche Weinblätter ergibt.

Ich esse gerne Lamm, und ich hatte groben Bulgur und Kichererbsen da – ein Fall für den libaneischen Eintopf mit Lamm und Bulgur. Das Gericht steht in einer Reihe mit anderen, die „Risotto“ genannt werden, aber keine Risotti sind – vielleicht ein Übersetzungsproblem. Aber egal – für den Eintopf werden Lammhaxen mit Kichererbsen gegart, später kommen Gewürze und Bulgur dazu und es schmeckt fantastisch.

Fazit:

Wer sich für die Küchen der islamischen Welt interessiert, wird, gewisse Kochkenntnisse vorausgesetzt, an diesem Buch seine Freude haben. Es ist mehr als ein Kochbuch, gibt einem die Möglichkeit, Zubereitungsweisen zu vergleichen und Esskulturen kennenzulernen. Man bekommt nicht nur einen Einblick in die Kulinarik, sondern auch in Geografie, Geschichte und Religion.

  • Gebundene Ausgabe : 544 Seiten
  • ISBN: 978-3039020645
  • Herausgeber : AT Verlag
  • € 48,00
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5 Kommentare

  1. Schöne, ansprechende und fundierte Rezension von dir, Susanne, wie immer!
    Doch nachhaken muss ich: stört dich das nicht, wenn du dich nicht auf die Rezepte in einem Kochbuch verlassen kanns?

    • Doch, klar. Ich bin da gern die erste, die meckert. Es stört mich auch hier, habe ich das nicht kommuniziert? In diesem Fall allerdings bin ich nicht ganz so ungnädig, weil ich finde, dass die Idee, das alles mal zusammenzutragen und zu vergleichen, einiges wett macht.

  2. Das klingt ganz so als ob es ein Standardwerk werden könnte- vielleicht sollte ich die zweite Auflage abwarten, für mehr Zuverlässigkeit in den Rezepten? Jedenfalls schon in der Auswahl die du vorstellst habe ich ein paar Gerichte gefunden die auch mir gefallen könnten.

    • Ja, das kann wirklich ein Standardwerk sein, es ist jedenfalls sehr informativ und kenntnisreich.

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