Kochbuch: Appetites | Anthony Bourdain

Anthony Bourdain ist Koch. Erstmal. Sein Restaurant „Les Halles“ in New York allerdings wird schon länger von seinem Sous-Chef geführt. Der Chef selbst ist schon lange „auf freiem Fuß“, schreibt Bücher und macht Fernsehen. Meine erste „Begegnung“ mit ihm war damals das Buch „Geständnisse eines Küchenchefs“*, danach gab es etliche spannende Reisebücher. „Reisen“ ist dann jetzt auch mein Stichwort, denn das nächste mal wurde ich aufmerksam auf Mr. Bourdain durch seine Fernsehserie „Parts unknown“ – eine Art kulinarische Reise-Dokumentarserie. Ich habe auf Wikipedia verlinkt. Anschauen kann man das zur Zeit immer wieder mal auf Kabel 1 Doku, angeblich auch auf Netflix, aber da kenne ich mich nicht aus. Zwei Dinge gibt es, die mich an der Serie faszinieren: zum einen geht es nicht nur um Essen, sondern immer auch um die Situation im Land, um die Politik, um die Lebensumstände der Menschen. Und dann gibt es noch Anthony Bourdain selbst, der nicht nur tapfer alles mitmacht, was ihm abverlangt wird, sondern dem man auch deutlich anmerkt, dass die Menschen, mit denen er spricht, ihn wirklich interessieren –  Empathie und ungeteilte Aufmerksamkeit sind hier die Stichworte.

Und nun ein Kochbuch. Kein Restaurant-Kochbuch, sondern die Lieblingsrezepte von Anthony Bourdain, so wie er sie zuhause kocht. Präsentiert werden in den Kapiteln Frühstück, Sport, Salate, Suppen, Sandwiches, Party, Pasta, Fisch und Meeresfrüchte, Geflügel, Thanksgiving, Fleisch, Beilagen und Grundrezepte für Fonds und ähnliches bekannte Klassiker: Eggs Bénédict, Cesar Salad, Po’Boy-Sandwich, Tomatencremesuppe, Banh Mi, Koreanisches Knusperhuhn….eine kleine Weltreise in Lieblingsgerichten.

Es ist tatsächlich so, dass ein Großteil der Rezepte Klassiker sind. Muss man denn das Buch haben und sich mit dem x-ten Rezept für Gulaschsuppe oder Hackbraten beschäftigen? Nun, es gibt Argumente, die dafür sprechen: die Rezepte tragen die persönliche Handschrift von Anthony Bourdain. Aus ihnen sprechen ein paar Jahre Küchenerfahrung, es gibt immer einen Tipp, wie man ein Gericht entweder noch schmackhafter machen kann oder wie man die Arbeitsabläufe optimiert.

Und dann ist das Buch  genüsslich subjektiv – es geht um Lieblingsrezepte, die man dann bitte (verdammt nochmal, würde Mr. Bourdain noch einfügen), so zuzubereiten hat, wie es da steht. Es geht nicht darum, das Rad neu zu erfinden und besonders originell zu sein. Sondern um ganz persönliche Lieblingsgerichte. Und weil das Buch subjektiv ist, hatte man auch den Mut, Rezepte wegzulassen. So gibt es kein Rezept für Bratkartoffeln, weil:

Bratkartoffeln sind immer ätzend. Sie werden in den meisten Restaurants beim Brunch nur deswegen routinemäßig als Beilage angeboten, weil sie für wenig Geld auf dem Teller viel Platz ausfüllen und schön satt machen. Sie sind ziemlich unkaputtbar – das heißt, sie sind nach vier Stunden Herumsitzen genauso Scheiße wie frisch serviert.

Und das Dessertkapitel hat man auch weggelassen, denn – „Scheiß doch auf Desserts!“. Mr Bourdain zieht Käse vor. Und ja, ich bin seiner Meinung. Im Großen und Ganzen. Da gibt es ganz viele Geschichten, die erzählen, warum Anthony Bourdains Herz an diesem Essen hängt. (Oder warum er es hasst…). Die Texte sind entwaffnend ehrlich, die Sprache zum Teil deftig. Ich habe mich selten so amüsiert beim Lesen eines Kochbuchs.

Dann wäre da noch die Optik: die ist recht unkonventionell, pflegt auch etwas das Enfant-Terrible-Image Bourdains. Wildschweinköpfe oder Hühnerfüße mögen etwas archaisch wirken und nicht jedermanns Sache sein – aber nun, das gehört dazu zu unserem Essen. Jedenfalls wenn wir Fleisch essen. Ein bisschen Dekandez wird auch gepflegt, und manches Mal hatte ich das Gefühl, dass die Bilder Gemälden nachempfunden sind. Insgesamt mag das nicht jedermanns Sache sein; für mich hebt sich die Optik angenehm aus der Masse ab.

Ich habe mich für den Anfang mit Rezepten aus dem Beilagen- und Grundrezeptekapitel verlustiert. Es gab ofengerösteten Blumenkohl, gebratene Polenta und Tomatensauce. Klingt nicht so aufregend, aber jeder Bestandteil hat einen kleinen Kniff: die Polenta wird nicht einfach gekocht, sondern vor dem Kochen mehrere Stunden in der Brühe eingeweicht – das spart tatsächlich eine Menge Kochzeit und Rühren. Ofengerösteten Blumenkohl gibt es hier oft, das ist ein Standard-Lieblingsessen. Hier kommt allerdings noch ein Dressing aus Tahin, Miso und Rotweinessig dazu. Ich habe mich schwer getan, dem Rest der Familie noch was abzugeben …. Wer das Rezept haben will: etwas abgewandelt gibt es das hier bei Eva. Ok, die Tomatensauce ist wirklich Standard. Sie wird mit einer Mischung aus frischen Tomaten und Dosentomaten gemacht und am Ende kommt etwas Butter dazu.

Käsesandwich. Klassischer geht es kaum. Die Füllung besteht aus Cheddar und langsam karamellisierten Zwiebeln. Man sollte japanisches Sandwichbrot verwenden – ich habe das Shokupan von Susanna benutzt. Mit einem anderen Sandwichbrot brauche ich den Meinen sowieso nicht mehr zu kommen. Einen Zusatznutzen bietet das Rezept auch: die Sandwiches werden zum Braten an der Außenseite mit Mayonnaise bestrichen. Das richtig toll – es sorgt für gleichmäßige Bräunung.

Natürlich darf ein Chili-Rezept nicht fehlen. Dieses hier ist New-Mexiko-Style: Rindfleisch, zwei Sorten Chilis, Bier. Die Chilis werden erst gegrillt und geschält, außerdem kommen Koriander, Kreuzkümmel und Oregano dazu. Uns hat das richtig gut gefallen.

Buttermilchbrötchen mit Bratwurstsauce – sehr mächtig aber richtig klasse. Besonders beeindruckt haben uns die Buttermilchbrötchen, die werden mit minimalstem Aufwand richtig toll blättrig und fluffig.

Nein, wir haben das nicht so blank gegessen. Es gab geschmorten Chicorée dazu…Bitterstoffe sollen ja bei der Verdauung helfen. Der Chicorée wird (nach Escoffier) ganz altmodisch mehliert, angebraten, dann in Weißwein und Fond fertig gegart. Das mache ich gerne mal wieder.

Fazit: Anthony Bourdain inszeniert sich selbst in diesem Buch.  Wer den Mann also für einen Fäkalsprache benutzenden Aufschneider hält, der unverdient zu Ruhm gekommen ist, lässt das Buch besser im Regal.  Alle anderen freuen sich über individuell interpretierte Klassiker, fesselnd geschriebene Geschichten (der Mann kann schreiben!) und eine Optik außerhalb des Mainstreams. Ach so:  Vegetarier bleiben eher hungrig.

  • Gebundene Ausgabe: 304 Seiten
  • Verlag: Riva
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN: 978-3742302090
  • € 29,99

6 Kommentare

  1. Hach, deine Rezensionen les ich einfach gern 🙂 Anthony Bourdain sagte mir recht wenig, aber ich durchstöber gleich mal Netflix, ob es da wirklich was zu bzw mit ihm gibt. Lg, Miriam

  2. Wir sind große Bourdain-Fans und schauen oder lesen ihn immer gerne. Ich als Käse-Fan bin ja begeistert von dem Spruch „Scheiß doch aufs Dessert!“. Das Kochbuch hatte ich neulich schon im Playboy entdeckt mit einem schönen Rezept daraus. Seither schleiche ich drum herum. Mal sehen, ob ich es uns gönne. Gerade zog hier erst das japanische Kochbuch von Stevan Paul ein, von dem ich begeistert bin. Und dann gibt es noch sooo viele ungenutzte Kochbücher. Die guten Vorsätze, häufiger daraus zu kochen, halten leider nie lange…

    • Ich finde ihn wirklich genial. Unterhaltsam, reflektiert, und kochen kann er auch noch. Und das mit den Büchern…Ich bin da im Grunde ganz froh über die Rezensionen, weil, mit den Büchern befasse ich mich garantiert gründlich. Aber es gibt auch genug andere, die erst mal ins Regal wandern und auf Aufmerksamkeit warten. Ich bin da echt ein Junkie….

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