Gregor Wittmann sieht sich selbst als Urbayern. Er hat eine Ausbildung zum Koch gemacht, anschließend bei Alfons Schuhbeck gearbeitet. Danach kehrte er wieder heim ins Altmühltal und leitet nun das Gut Moierhof – ein Familienunternehmen der dritten Generation.
Das Kochbuch ist die neueste Erscheinung einer Buchreihe des Verlages, die sich mit ursprünglicher Küche aus den verschiedensten Regionen befasst. Das geht von Griechenland über die Türkei bis nach Norddeutschland und Schwaben; einige der älteren Titel sind inzwischen leider vergriffen.
Ich habe einige Bücher aus dieser Reihe, und so ist der Wiedererkennungswert groß, was das Layout angeht. Das Buch ist hochwertig gearbeitet mit mattem Papier und Fadenbindung. Ein wenig ziehen sich blau und blau-weiß als Farben durch das Buch, damit man gleich weiß, womit man es zu tun hat. Es gibt sehr viele Fotos – circa 300 sind es. Die Fotos tragen die Handschrift von Cettina Vicenzino: sie ist Fotografin und Künstlerin und schreibt auch selbst Kochbücher. Ich mag ihre Fotos sehr – sie sind natürlich und atmosphärisch und fangen ohne großes Drumherum das Wesentliche ein. Es gibt nicht nur Food-Fotos, sondern auch viele Bilder von Gregor Wittmann und seiner Familie, den Hotel und einige Fotos aus dem Altmühltal. Man könnte einwenden, dass es zu viele Fotos vom Autor und seiner Familie gibt – aber ich finde, sie machen das Buch persönlich.
Jetzt zum Inhalt: kennt Ihr diese Dokumentar-Serie auf Arte, „Zu Tisch„ heißt sie? Ein wenig erinnert das Buch daran. Klar, es geht ums Essen. Aber auch um mehr als das. Immer wieder sind kleine Kapitel eingeflochten, die von Familienleben, Alltag und Brauchtum erzählen. So wirkt das Buch sehr persönlich. Wir erfahren etwas über die Geschichte des Moierhofes, über römische Spuren im Altmühltal, darüber wie Gregor Wittmann den FC Bayern und den FC Basel bekocht, über Bier, über Trachten….
Und jetzt zum Essen. Die Kapitel sind unterteilt in Kleine Gerichte, Vorspeisen und Beilagen, Suppen, Fisch, Fleisch und Süßes. Es gibt Mini-Kalbfleischpflanzerl mit Chili-Rahmkraut, Schrobenhausener Spargel mit Wildkräutern, Forelle in Heu gedämpft, geschmorte Kalbsbackerl mit Rosenkohl und Lavendel, Böfflamott mit Rübchen, Karamellsierten Kaiserschmarrn und noch viel mehr. Ich habe da noch so ein paar Klebezettel…. Gregor Wittmann sagt von sich, dass er veredelte bayrische Küche mit mediterranen Einflüssen kocht und das spiegelt sich in den Rezepten wieder. Sie sind traditionell, haben aber immer wieder einen kleinen Twist.
Die Rezepte sind ordentlich strukturiert und funktionieren gut. Lediglich das Rezept für die Nudeln mit Pfifferlingen ist etwas irritierend, denn da werden im Text dann doch Steinpilze verwendet, auf dem Foto sieht man aber Pfifferlinge. Charmant finde ich, dass die Rezepttitel zweisprachig gehalten sind – bayrisch mit hochdeutschen Untertiteln sozusagen. Zu jedem Kapitel gibt es eine kleine Einführung, in der wir erfahren, was die jeweilige Mahlzeit ausmacht. Und ein alphabetisches Rezept-Register gibt es auch.
Fangen wir doch mit einem Klassiker an: Saure Zipfel. Das sind Bratwürste, klassischerweise Nürnberger, die nicht gebraten, sondern in einem sauren Sud gegart werden. Hier wird das Gemüse des Suds mit Puderzucker karamellisiert, und außerdem machen noch Vanilleschote, Muskat und Chili mit. Nicht ganz die klassische Version – und genau deshalb sehr fein.
Da gibt es eine Selleriesuppe mit Fleischpflanzerl; die kam gerade recht, um den Knollensellerie aus der Abokiste zu verarbeiten. Die Suppe ist toll – schön aromatisch und cremig und luftig zugleich. Die Fleischpflanzerl mit Kalbfleisch-Anteil werden mit Zitronenabrieb, Senf und einem Hauch Ketchup gewürzt – hat uns auch gut gefallen. Die Pflanzerl werden nur kurz angebraten und dann im Ofen fertig gegart – das ist entspannt und die Pflanzerl werden schön saftig.
Dampfnudeln – das ist auch bei uns ein Familienklassiker. Das Rezept habe ich ausprobiert, weil die Dampfnudeln im Ofen gebacken werden; ich kenne sie auf dem Herd gegart. Bei mir war die angegebene Garzeit viel zu kurz, ich musste ordentlich nachlegen. Meine Schuld – ich hatte eine zu kleine Form gewählt. Aber: ich lege bei Dampfnudeln ganz großen Wert auf eine Kruste am Boden; diese entsteht, wenn Milch, Zucker und Butter während des Garens karamellisieren. Das hat im Ofen nicht funktioniert – deswegen gibt es Dampfnudeln in Zukunft wieder aus dem Topf. Nebenbei habe ich das Rezept für Vanillesauce ausprobiert – die war klasse.
Gut gefallen hat uns die Mousse von der geräucherten Forelle. Die Mousse besteht aus Räucherforelle, Champignons, Gemüsebrühe und Sahne und wird mit Gelatine standfest gemacht. Als Gegenpart gibt es in der Pfanne kurz gebratenen, mit Chiliflocken gewürzten Fenchel.
An Teigtaschen komme ich nicht vorbei – und erst recht nicht, wenn sie in einer solchen Kombination präsentiert werden wie die Bauernravioli mit Blutwurst, Bergkäse und Pistazienbutter. Zur Beschreibung reicht ein Wort: Volltreffer!
Fazit: Wer sich für die bayerische Küche interessiert, ist hier richtig. Es gibt eine schöne Mischung aus traditionellen und modernisierten Rezepten. Die Bandbreite ist groß – vom Obatzten über Rahmschwammerl bis hin zur Kirchweihgans ist alles dabei. Die Hintergrundinfos, Geschichten und Fotos machen das Buch zu einem sehr persönlichen, in dem man auch gerne blättert, wenn man nicht gerade ein Rezept sucht.
- Gebundene Ausgabe: 224 Seiten
- Verlag: Christian Verlag GmbH
- Sprache: Deutsch
- ISBN: 978-3959610957
- € 25,00
Im Altmühltal waren wir schon öfter unterwegs, vielleicht sollten wir dort einmal einkehren… und deine Rezension, wie immer, sehr informativ, ich denke mein Fall ist das Buch eher weniger.
Achja, und Rohrnudeln sind eben keine Dampfnudeln… gell?
Hm. ich hab mich schon des öfteren mit der Namensgebung abgekämpft, ich vermute, das nennt jeder, wie er mag. Und ich mag Dampfnudeln halt aus dem Topf mit Kruste.
Ah…und wenn das Rohrnudeln sind (klingt wahrscheinlich…) was ist dann der Unterschied zu Buchteln?
das hab ich mich auch schon öfter gefragt- Buchteln sind glaub ich österreichisch-behmisch, so wie Palatschinken.
Ich habe mal nachgeschaut – im Buch gibt es auch ein Rezept für Buchteln; das ist sehr ähnlich. Die Buchteln werden einfach so gebacken.Bei den Dampfnudeln kommen auf den Boden der Form noch Milch, Zucker und Butter.
Ja, das Altmühltal ist schön. Und das Restaurant bestimmt einen Besuch wert.
Die Rezepte lesen sich schwer nach „Edelbayer“. Die alten Bayern kochen das einfacher.
Ja, da hat Du recht. Ein moderner Bayer, und ab und zu schaut auch der Schuhbeck um die Ecke – ich sag nur Vanille und Ingwer ;-). Aber ganz traditionelle Rezepte kenne ich genug; ich bin ganz dankbar für eine Modernisierung.
Diese Teigtascherln schreien geradezu nach mir! Ich halt mal meinen leeren Teller in deine Richtung … 🙂
Das Rezept kommt bald. Bis dahin gibt es eine Portion auf Deinen Teller ;-).