Kochbuch: Vietnamesische Strassenküche * Tracey Lister, Andreas Pohl

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Bei uns hier ist Streetfood Trend. In Vietnam hingegen ist es seit den 1970er Jahren zu einem integralen Bestandteil des täglichen Lebens geworden. Man könnte fast von einer Notwendigkeit sprechen: oft ist der Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstelle lang. In den Zentren der großen Städte ist Platz zudem Mangelware, da spielt sich viel Leben auf der Strasse ab. Also auch das Essen. Außerdem: man tut Dinge gern gemeinsam; dazu zählt auch das Essen. Und dann hat man in wirtschaftlich schwierigen Zeiten aus der Not eine Tugend gemacht: ein kleiner Laden an der Strasse, in dem man typische Familiengerichte anbot, sollte das Einkommen aufbessern.

Ich habe das nicht schon immer gewußt, ich habe aus der Einleitung dieses Buches, das ich Euch heute vorstellen möchte. Die Autoren leben in Vietnam. Andreas Pohl arbeitet in einem Projekt, das Strassenkindern einen Berufsausbildung in der Gastronomie vermittelt. Tracey Lister betreibt eine Kochschule.

Ich fange mal von außen aus: wir haben es mit einem großformatigen Paperback zu tun. Das Buch ist sehr schön aufgemacht. Das Layout ist großzügig; und auch an Fotos hat man nicht gespart. Jedes Gericht hat ein ganzseitiges Foto bekommen. Und natürlich gibt es auch viele Bilder vom Leben in Vietnam. Die Bilder sind atmosphärisch nehmen einen mit ins Land. Einziger Wermutstropfen: so recht aufgeschlagen liegen bleiben mag das Buch nicht.

Die Rezepte sind nach Zubereitungsart geordnet: es gibt Frühlings- und Sommerrollen, Gegrilltes und Gebratenes, Kochen und Dämpfen, Frittieren, Baguettes und Salate, Süßes und Basisrezepte für Saucen und Würzen.

Kostproben? Es locken Sommerrollen mit Garnelen und Omelette, mariniertes gegrilltes Rind mit Nudelecken, Nudelsuppe mit Huhn, geschmortes Rindfleisch mit Zitronengras und Sternanis, Krabben-Wan-Tans mit Tomatensalsa, Baguette mit salzgedämpftem Huhn und so viel mehr. In meinem Exemplar stecken noch viele Klebezettel, da gibt es noch viel zu Probieren. Abgerundet wird der Rezeptteil durch ein Glossar: da gibt es einen bebilderten Überblick über die wichtigstens Nudelsorten. Deren Vielfalt war mir vorher nicht vertraut. Das Gleiche gibt es auch für Kräuter. Die Bebilderung ist klasse, sie erleichtert es, die Dinge im Laden zu indentifizieren. Ein nach Zutaten geordnetes Register gibt es auch.

Die Rezepte funktionieren gut. Allein manche Titel sind etwas verwirrend: da gibt es Reisküchlein gäzlich ohne Reis, Teigtaschen, die eigentlich Krapfen sind und Beignets, die Teigtaschen sind sowie einen Glasnudelsalat mit Minze, in dem tatsächlich Koriander verwendet wird und keine Minze. Ich denke, das ist ein möglicherweise ein Übersetzungsproblem.

Das Buch beschränkt sich aber nicht auf Rezepte:. Da gibt es zunächst die sehr ausführliche Einleitung, die sich mit der Geschichte des Streetfoods in Vietnam beschäftigt. Und dann werden insgesamt 5 Garküchen und ihre Besitzer näher vorgestellt. Es ist interessant und spannend, über die Lebensbedingungen der Menschen und ihre Geschichten zu lesen.

aalsalat1

Der Aalsalat mit Glasnudeln hat uns richtig Spaß gemacht: die Basis besteht aus Glasnudeln, die mit Koriander (also nicht mit Minze…), Frühlingszwiebeln und Erdnüssen vermengt werden. Darauf kommt eine Portion frittierter Aal, der mit Kurkuma und Chili aromatisiert wurde.

tofu-frikadellen

Auch die Tofu-Frikadellen waren eine feine Sache: grüner Reis ist da drin, außerdem getrocknete Shiitake und Mu-Err. Die Frikadellen sind relativ mild, aber das wird durch den dazu servierten Dipp aus Sojasauce und Chili wieder wettgemacht.

teigtasche mit schweinehack und wachtelei

Dass ich mindestens ein Teigtschen-Rezept ausprobieren muss, liegt doch auf der Hand, oder? Ich habe mich für die Teigtaschen mit Schweinehack, Glasnudeln und Wachtelei entschieden. Die (mehr oder weniger) runden Klößchen bestehen aus einer ganz dünn ausgerollten Hefeteighülle. Auf die Hülle kommt eine mit Fischsauce aromatisierte Füllung aus Schweinehack und Glasnudeln, darauf dann ein gekochtes Wachtelei. Sieht hübsch aus – und schmeckt. Wieder stiftet der Rezepttitel etwas Verwirrung: Frittierte Teigtaschen steht da. Im Rezept werden sie dann gebraten.

reisnudeln

Eigentlich hätte es gefüllte Reisnudeln geben sollen. Die Nudelplatten sollten selbstgemacht sein. Dafür werden Reis-und Tapiocamehl mit Wasser zu einem Teig gerührt. Die Masse wird auf ein über einen Topf gespanntes Tuch verteilt und kurz gedämpft. Ich habe dabei auch  bei wiederholten Versuchen viel zu dicke Platten produziert, die schlicht nicht essbar waren. Also habe ich die Hackfleisch-Pilz-Masse mit noch vorhandenen Reisnudeln gemischt.

nudelsuppe

Natürlich musste auch ein Suppenrezept ausprobiert werden: ich habe mich für eine Suppe mit Reisnudeln entschieden, die auf einer Brühe mit Schweinefleisch-Basis aufbaut. Zusammen mit getrockneten Krabben und Fischsauce entstand ein tolles Aroma. Als Einlage gibt es neben den Nudeln noch Fleisch, Krabben und Omelette.

Fazit: ich finde, das ist ein empfehlenswertes Buch, wenn man sich mit der Streetfoodkultur in Vietnam befassen möchte. Man findet abwechslungsreiche, gut beschriebene Rezepte, mit denen man sich ein Stück Vietnam in die heimische Küche holen kann. Auch die Geschichten sind lesenswert. Für Vegetarier ist die Auswahl allerdings beschränkt.

  • Broschiert: 208 Seiten
  • Verlag: AT Verlag
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN: 978-3038008972
  • 26,95

 

23 Kommentare

  1. Aah, daher das Reisnudelexperiment… ;). Hast Du’s inzwischen schonmal ohne Tuch probiert? Die Rezepte und das Konzept des Buches lesen sich toll… im nächsten Heim gibt’s ein Bibliothekszimmer, das zu 90% aus Kochbüchern bestehen wird… #träum.

    • Neee….ich bin noch nicht dazu gekommen. Ich hab hier noch so einen Stapel Bücher liegen, ich muss mich da erst mal durcharbeiten, aber dannnnnnnn…

  2. Street Food hat in allen südostasiatischen Ländern, die ich kenne (und ich habe einige bereist, bzw. dort gelebt) einen sehr großen Stellenwert. Da gibt es an jeder Straßenecke kleine Garküchen auf Rädern, die für kleines Geld die leckersten Snacks anbieten. Man muss sich einfach trauen, dort zu Essen – auch wenn es nicht so hygienisch aussieht 😉

  3. Wie jetzt, man kommt ja zu nichts? Du hast ja wieder gekocht wie wild 😉 Sieht auch alles total gelungen aus. Ich persönlich hätte ja wahnsinnig gerne den Aal probiert. Leider kann man frischen Aal bei uns aus Tierschutzgründen seit einigen Jahren nicht mehr kaufen… Die geräucherte Variante ist seltsamerweise nach wie vor erhältlich. Ich freue mich jedenfalls, wenn du uns bald noch ein paar Rezepte nachlieferst 🙂

  4. Wieder einmal eine Susanne-Buchbesprechung! Wunderbar gemacht und das Buch schreit schon wieder „kauf mich, kauf mich …“ 🙂

  5. Danke für die ausführliche Vorstellung. Werde es beim nächsten Ausflug zum Buchhändler genauer anschauen (und zum Leidwesen von Herrn C. wahrscheinlich auch gleich kaufen :-).

  6. Hm, Übersetzungsfehler? Soo viele?
    Die von dir nachgekochten Gerichte sehen auf jeden Fall alle höchst appetitlich aus! Bin schon gespannt, welches du uns näher vorstellen wirst. 🙂

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