[Kochbuch]: Das Beste vom Schwein

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Schweinefleisch – esst Ihr das gern? Es ist ins Hintertreffen geraten, das arme Schwein. Einerseits soll es billig und massenhaft verfügbar sein, wird also entsprechend hochgezüchtet und unter, gelinde gesagt, unwürdigen Bedingungen, gehalten. Außerdem soll es mager sein, denn man hat Angst vor Fett. Ach ja, und der Filetanteil, der kann gar nicht hoch genug sein.

Es wird Zeit, mal etwas für das Schwein zu tun. Und das nimmt in diesem Fall Burkhard Schork in Angriff. Wenn es nach seiner Mutter gegangen wäre, dann wäre er Priester geworden. Ist er nicht. Statt dessen aber Metzger und Küchenmeister. Als solcher betreibt er das Romatik Hotel und Restaurant Friedrich Schiller in Bietigheim-Bissingen.

Jetzt zum Buch. Ich fange mit dem äußeren Eindruck an: das ist ein großformatiges, soldige gemachtes Buch mit Fadenheftung und Lesebändchen. Das Layout ist sehr klar und ruhig. Jedes Rezept nimmt eine Doppelseite ein. Auf einer Seite ist unter einem sehr groß gedruckten Rezepttitel das Gericht abgebildet, auf der gegenüberliegenden Seite finden wir das Rezept. Die Fotos sind schön angerichtet, aber natürlich und nicht überarrangiert. Zum Teil allerdings sind mir die Aufnahmen etwas zu sehr aus der Nähe gemacht.

Und der Inhalt? Da gibt es nicht nur Rezepte. Das Buch beginnt mit einer sehr ausführlichen Einführung zum Thema Schwein. Wir erfahren viel über die Geschichte des Schweins, über Rassen, Haltung, gesundheitlichen Wert und auch darüber, was eigentlich ein gutes Stück Schweinefleisch ausmacht. Gleich danach geht es ums Schlachten: um die Geschichte, um den Niedergang von Traditionen zu Gunsten der Hygiene. Wer wissen will, woher die Begriffe „Bürgermeisterstück“  oder „Es geht um die Wurst“ kommen, der erfährt hier auch Wissenswertes. Dieser Text kommt, genau wie die kurzen Essays, die immer wieder in die Rezeptkapitel eingeflochten sind, vom Publizisten Anton Hunger. In diesen weiteren Essays gibt es  Interesantes über die Maultasche, den Hang des Schwaben zum Most oder auch über Gruß-Sitten. Ich habe alle Texte mit Freude gelesen.

So, jetzt gibt es aber etwas zu essen. Die Rezepte sind unterteilt in Kapitel wie Salate, Suppen, kleine Gerichte, Hauptgerichte und Konserviertes. Ein Kapitel mit Grundrezepten gibt es auch. Die Rezepte sind vielfältig und tragen die ganz persönliche Handschrift von Burkhard Schorr. Man kann einen gewissen Schwerpunkt auf der schwäbischen Küche finden. Ihr wollt Beispiele? Da gibt es Bietigheimer Laubfrosch (also gefüllte Spinatröllchen) mit Rote-Bete-Graupen, Schlachtschüssel mit Kesselfleisch, Hirn-Soufflé mit lauwarmem Radieschen- und Eiszapfengemüse, klare Linsenkraftbrühe mit Saitenwürstle und grünen Spätzle. Im letzten Kapitel wird Wurst gemacht.

Verwendet wird alles vom Schwein – und ich meine wirklich alles von der Schnauze bis hin zum Blut.  Dieser Ansatz ist mir mehr als sympathisch; ich bin keine Filet-Esserin. Die Rezepte sind übersichtlich aufgebaut und funktionieren. Von der ganz schnellen Küche sprechen wir in aller Regel nicht. Und ein wenig Kocherfahrung kann oft auch nicht schaden. Abgerundet wird der Rezeptteil durch ein Glossar und ein Rezeptregister.

tomatensuppe

Fangen wir mit einer Suppe an – Currywurstsuppe, so lautet der plakative Teil der Überschrift. Feiner ausgedrückt: Tomatensuppe mit Curryduft und gebratenen Wollwürsten als Einlage. Im Prinzip eine einfache Sache: die Tomatensuppe wird mit Currypulver aufgehübscht und bekommt gebratene Wollwurst und frittierte Kartoffelstifte als Einlage – plus etwas mehr Currypulver. Eine feine Sache.

geschmorte wade, spätzleskuchen

Das geschmorte Wadenbein erinnert ein wenig an Gulasch: über Nacht in Paprika mariniertes Fleisch wird mit Zwiebeln, Rotwein, Fleischbrühe und noch mehr Paprika geschmort. Das Ergebnis ist butterweiches Fleisch in einer sämigen Sauce. Dazu gibt es Spätzleskuchen: frisch gegarte Spätzle, die mit Eier, Sahne und Milch vermischt und zu kleinen Küchlein gebacken werden.

frikadelle strindberg

Für die Frikadelle à Strindberg wird ein klassisch hergestelltes Fleischpflanzerl mit einer Zwiebelmasse überbacken. Das hat uns gut geschmeckt. Mit der Masse hatte ich allerdings ein wenig Probleme: die Bindung mit Eigelb hat nicht so recht funktionieren wollen. Und meine Masse hätte noch für ein paar Frikadellen mehr gereicht.

schwarzwälder schinkenrisotto

Richtig gut gefallen hat uns auch das Schwarzwälder Schinkenrisotto. Der Name sagt es schon – wir sprechen von einem Risotto mit Schwarzwälder Schinken. Das Risotto hat eine Besonderheit: zum Anbraten werden nicht Butter oder Öl benutzt, sondern Knochenmark. Dazu serviert wird lange geschmortes, mit Speck gespicktes Schweineherz.

blaue zipfel

Blaue Zipfel sind Bratwürste, die in einem saueren Sud gegart werden – in diesem Fall Weissweinessig und Riesling. Hatte ich vorher noch nie gemacht – und jetzt wird es sie öfter geben.

Fazit? Mir gefällt’s. Ich mag die vielfältigen, originellen Rezepte. Da gibt es noch viel zu probieren. Und mir gefallen auch die Hintergrundtexte. Wer also nicht nur gerne Schweinefleisch isst, sondern auch an Hintergrundwissen interessiert ist, der wird an diesem Buch seine Freude haben.

  • Gebundene Ausgabe: 224 Seiten
  • Verlag: Tre Torri
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN: 978-3944628844
  • 39,90

11 Kommentare

  1. Du hast recht, auch bei mir ist das Schwein sehr ins Hintertreffen geraten, es gab früher einfach zu oft Schweinerücken und -Filet, jahrelang hab ich nach Auszug der betreffenden Person überhaupt gar kein Schwein mehr angerührt. Und heute- leider hab ich noch keinen entsprechenden Schweinezüchter gefunden wie beim Rindfleisch, das macht die Sache etwas kompliziert. Denn so ein Schwein das ein unwürdiges und unglückliches Leben hinter sich hat mag ich nicht essen.

  2. Die Rezepte klingen wirklich toll. Und das mit dem Knochenmark für den Risotto merke ich mir definitiv 🙂 Schwein kommt bei mir immer wieder gerne auf den Tisch, keineswegs bloss als Filet. Schön finde ich die Entwicklung, dass viele verwöhnte Esser vermehrt wieder Schwein für sich entdecken. Dazu trägt in meinen Augen auch die Gastronomie bei, die auch wieder öfter auf tolle Produkte vom Schwein setzt!

  3. Nach Berlin auf den Markt kommen einige „Kleinbauern“, die halten Ihre Tiere im Familenverband ca. 8-12 Stück und Auslauf. Die Qualität ist super hat aber einen doppelten Preis. So gibt es eben nur ab und zu Fleisch.

    • Das ist doch der passende Ansatz – lieber gutes Fleisch von Tieren, die ein schönes Leben hatten und dafür seltener. So halten wir es auch.

  4. Aufgewachsen bin ich so, dass Fleisch eigentlich in 90 % der Fälle vom Schwein kam. Dann kam die Phase, wo ich nur Filet gekauft habe. Und nun scheine ich reif für dieses Kochbuch zu sein, weil ich gern alles vom Schwein mag.
    Würdest du vielleicht das Rezept vom Risotto genauer vorstellen? Das würde mich sehr interessieren.

    • Das Rezept ist schon unterwegs 😉 Kommt übermorgen.
      Und ich oute mich mal….ich glaube, das meist verwendete Stück vom Schwein ist hier inzwischen der Bauch.

  5. Mir ging es eine ganze Weile ähnlich mit dem Schwein. Aber seit ich gute Quellen habe, steht es (from nose to tail) auch bei uns wieder regelmäßig auf dem Tisch. Ergo: Buch ist „notiert“. Danke! 🙂

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