So. Gut Ding will Weile haben. Es gab ja schon einige Rezensionen zu lesen über Tim Mälzers neues Kochbuch. Und nun komme ich auch noch um die Ecke geschlichen mit einer weiteren Meinung. Also, offen gestanden – ein Tim-Mälzer-Fan bin ich nicht. Oft sind mir Koch und Rezepte einfach zu hemdsärmelig. Auf begeisterte Empfehlungen ….nicht zuletzt von ihr…habe ich mir seinerzeit Greenbox angeschafft – und es irgendwann resigniert weiterverschenkt. Es wollte mich damals einfach nichts so recht ansprechen. Nun also etwas Neues – eine Reise durch die deutsche Heimatküche. Für das Buch ist Tim Mälzer durch Deutschland gereist, hat mit Produzenten geredet und Rezepte gesammelt. Damit folgt er dem Zeitgeist.
Das Buch ist hübsch aufgemacht – modern, bunt, poppig. Es gibt viele Fotos: von den fertigen Gerichten, von Produkten, Landschaften, Menschen. Von den Autoren bei der Arbeit. Es macht Spaß, zu blättern und sich die Fotos anzuschauen, das hat was von Kurzurlaub im eigenen Land. Zusätzlich wird alles aufgelockert durch bunte Grafiken. Das Bunte wird ein wenig gemildert durch mattes Papier in dezenten Farben. Ein Lesebändchen gibt es auch.
Seid Ihr beim Lesen gestolpert? Warum die Autoren? Nun, weil die Texte von Stevan Paul stammen, weil Hendrik Thoma die Weintexte geschrieben hat und die Rezepttexte, die haben sich Stevan Paul, Marcel Stut und Marion Heidegger geteilt. Das Foodstyling haben alle zusammen gemacht. Das alles gab schon Anlaß zu herber Kritik. Ich sehe das etwas anders: ich gehe davon aus, dass die meisten bekannten Köche, die regelmäßig Kochbücher herausbringen, diese ohnehin nicht alleine schreiben – da ist es doch ein Fortschritt, wenn die Mitautoren wenigstens entsprechend gewürdigt werden.
So, jetzt aber zu den Rezepten: Die sind einerseits nach der Speisenfolge, aber auch nach dem kulinarischen Tagesablauf gegliedert: wir finden Suppen, gefolgt vom Mittagstisch, Fleisch, Fisch, Salate, Gemüse und Beilagen, Abendbrot und Süßes. Präsentiert werden überwiegend Klassiker. Manche wurden so gelassen, wie sie nun mal sind: die Rouladen zum Beispiel, das Wiener Schnitzel oder der Rotkohl. Andere wurden kräftig modernisiert: so werden die Eier in Senfsauce als pochierte Eier in einer Soße aus Schlagsahne, Hühnerbrühe und Senf serviert und nicht als hartgekochte Eier in Bechamel. Die Leber wird auf Aprikosen und geröstetem Toast serviert und mit Brunnenkresse garniert.
Die Rezepte sind vernünftig gegliedert und funktionieren. Ich hatte einen sehr ärgerlichen, unerklärlichen Ausreisser….das kann vorkommen. Zu jedem Rezept ist angegeben, für wieviele Personen es reicht, man findet Hinweise zur Zubereitungszeit, Küchentipps und Varianten.
Allerdings besteht das Buch nicht nur aus Rezepten: das Buch startet mit einer kurzen Einführung zu den landschaftlichen Unterschieden der deutschen Küche. Die ist aber wirklich sehr knapp und kratzt gerade mal an der Oberfläche. In den Rezeptteil eingeschoben sind Texte und Bilder zu Lebensmitteln und ihren Herstellern: wir erfahren beispielsweise etwas über Deichkäse, über Fischzucht, über glückliche Schweine bei Karl Ludwig Schweisfurth oder über Gemüseanbau und den Garten von Johannes King. Die Texte machen die knappe Einführung wieder wett.
Ein Rezept für Pellkartoffeln mit Kräuterquark und Leinöl, brauche ich das? Nicht unbedingt. Aber das Rezept im Buch ist eine schöne Gelegenheit, dieses einfache Lieblingsessen endlich mal wieder auf den Tisch zu bringen. Denn oft genug gehen die einfachen Sachen unter bei all den neuen Ideen, die es auszuprobieren gibt. Und ich habe tatsächlich etwas neues entdeckt – der Quark wird mit geröstetem, gemörsertem Kümmel verfeinert. Das mache ich jetzt öfter, das passt.
Die Spätzle in Käsesauce sind eine Variation der bei uns sehr beliebten Kässpätzle. Dafür werden die gegarten Spätzle in einer Sauce aus Sahne und geschmolzenem Käse serviert. Ganz ehrlich? Nicht übel, aber wir waren uns alle einig, dass das Original uns lieber ist…..Die Spätzle in der Sauce, das war ein wenig pampig.
Lamm ist für uns immer ein Festessen – das gibt es nicht oft. Auf die Lammschulter in Buttermilch mit Möhren-Schalotten-Stampf haben wir uns entsprechend gefreut. Aber statt Lamm gab es eine stocksauere Köchin. Nach den geforderten 90 min bei 160°C war das Fleisch noch immer roh; die Karotten steinhart. Statt das Fleisch im ausgeschalteten Ofen ruhen zu lassen, habe ich auf 200°C hochgeschaltet – ohne nennenswerten Erfolg. Das einzige, was passierte, war dass die Buttermilch ausgeflockt ist. Ich kann mir das ganze nur so erklären, dass die Säure der Buttermilch den Garprozess sabotiert hat. Die Lammschulter gab es dann übrigens am nächsten Tag….ich habe alles in den Slowcooker gegeben und ein paar Stunden sich selbst überlassen.
Rasch gemacht und richtig lecker war das Mangoldgemüse mit Rosinen. Die Stile werden kurz blanchiert, dann zusammen mit den Blättern in der Pfanne gebraten. Schwung kommt in das Ganze dank Zimt, Honig, Rosinen und Cayennepfeffer. Die leichte Süße passt hervorragend zum Mangold.
An den Fischfrikadellen gab es absolut nichts auszusetzen – die Pflanzerl aus Seelachs bekommen durch Frühlingszwiebeln, Dill, Senf und Tomatenmark das gewisse Etwas. Besonders gut gefallen hat mir die Gemüsebeilage, ein Erbsenbuttergemüse mit roten Paprika und Estragon.
Es gibt ein Rezept für Blumenkohl in Kräuter-Käsesauce. Ich war so frei und habe den Blumenkohl durch Brokkoli ersetzt, der war grade da. Ein paar Mangoldstiele durften auch noch mitmischen. Und ich habe mir erlaubt, den Brokkoli in Röschen zu teilen, statt ihn im Ganzen zu servieren. Die Sauce hat mir gut gefallen – statt der klassischen Bechamel mit Käse wird Milch, Brühe und Crème fraîche verwendet. Die Kräuter tun ihr Übrigens, damit das Gericht nicht nur gut schmeckt, sondern auch noch fröhlich aussieht.
Wir sind hier ja eher Südlichter. Dem Labskaus sah ich also durchaus mit gemischten Gefühlen entgegen. Die vegetarische Variante habe ich ja schon mal gemacht und für gut befunden, aber ein Püree aus Roter Bete, Kartoffeln und Corned Beef….dazu nach ein Rollmops …. ob man das essen kann? Nun, man kann. Gut sogar.
Fazit? Ich habe mich mit gemischten Gefühlen über das Buch hergemacht – aber ich mochte es. Mir ist das Layout etwas zu poppig und Rezepttitel wie „Salatdröhnung“ animieren mich nicht unbedingt zum Ausprobieren. Das sind aber aber Äußerlichkeiten. Ich mag den Überblick über die deutsche Küche und mir gefällt die Mischung aus altbewährten Klassikern und modern interpretierten Rezepten.
- Gebundene Ausgabe: 304 Seiten
- Verlag: Mosaik
- Sprache: Deutsch
- ISBN: 978-3442392742
- € 19,99
Sympathisch ist er ja, aber er wurde (wie Jamie Oliver) durch ständige Auftritte im TV, Radio, Bücher, Zeitschriften etc. komplett überdosiert. Eine Zeitlang konnte man ihm gar nie nicht entkommen und das war einfach too much. Für eine Bekehrung ist es wohl leider zu spät. Trotzdem danke für die ausführliche Besprechung.
Der Medien-Hype ist an mir tatsächlich total vorübergegangen; ich habe seine Sendungen nicht gesehen; erst in letzter Zeit ab und zu. Ich muss gestehen – mir ist er nicht sympathisch. Genau deshalb war ich neugierig auf das Buch 🙂
Das Buch kommt bei dir deutlich besser weg als bei mir (also, ich habe es nicht rezensiert, nur mal was draus nachgekocht und ich war nicht wirklich angetan. Von dem Gekochten schon, vom Buch nicht).
Und ob es wirklich an der Buttermilch lag? Manchmal werden doch auch Fleischstück in Buttermilch mariniert. Ich werde das mal testen und berichten! 🙂
Ich weiß nicht, ob es an der Buttermilch lag. Vielleicht lag es auch am nicht abgedeckten Bräter. Oder an beidem…..
Hm, das Buch….naja, da ist viel Selbstinszenierung. Ich habe neulich die Rezension bei Valentinas gelesen, da wurde auf Inhalt ganz schön herumgehackt und dann doch 4 Sterne vergeben, weil es halt schmeckt. Für mich sind die Rezepte des Herzstück….und es hat halt geschmeckt; meistens jedenfalls….Zum Mälzer-Fan bin ich immer noch nicht geworden.
Dorothee (bushcook) hat ein großes Plädoyer für ihn geschrieben. Mir gefällt die Inszenierung auch nicht so, aber es stimmt, die Hauptsache ist, ob die Rezepte taugen. Es war halt nicht viel dabei, was mich zum Nachkochen trieb…
Und das mit der Buttermilch erforsche ich, versprochen!
Dorothees Rezension habe ich auch gelesen – sie hat wirklich eine Lanze für ihn gebrochen. Ich denke halt, es ist seine Person, die polarisiert, weniger die Rezepte. Vielleicht ist an der einen oder anderen Stelle auch ein wenig Neid dabei….
Mein Probekochen ist ja einige Zeit her – wenn ich jetzt durch das Buch blättere, dann stelle ich fest, dass ich das meiste von dem, was mich interessiert, wohl schon ausprobiert habe.
Zur Buttermilch: bei Hülsenfrüchten und Gemüse verlängert Säure ja den Garprozess; ich weiß nicht, ob das bei Fleishc auch so ist. Wenn man das Fleisch mariniert, macht man die Marinade ja vor dem Garen wieder ab. Ich muss es wohl auch nochmal ausprobieren…..
Mir geht das mit vielen Fernsehköchen so – da vergißt man vor lauter Show oft daß die eigentlich richtig gut kochen können. Oder auch nicht.
Eine ehrliche und ausführliche Rezension – hilfreich vor allem, weil ich den Herrn Mälzer nur vom Namen her kenne … vielen Dank, Susanne!
Oh, Tim Mälzer hat Großbritannien noch nicht erobert? Dabei sagt er doch immer, er wäre der deutsche Jamie Oliver 😉
Klingt jetzt nicht so, als müsste ich das Kochbuch haben. Danke für deine ehrliche Meinung!
Immer gerne. Ich war einfach sehr neugierig, was da kommt im Buch 🙂
Ich bin auch kein großer Mälzer Fan, wobei die bisher probierten Rezepte immer überzeugten…
Bis jetzt habe ich auch immer noch keinen Blick in das Buch geworfen, vielleicht mache ich das jetzt doch mal …
Manchmal denke ich, das ist wie früher mit Modern Talking. Keiner konnte sie leiden (ich auch nicht), aber die Platten (oder waren es schon CDs….) wurden doch verkauft…..
Wie immer eine sehr informative Rezension- und ein Buch auf das ich eher leichherzig verzichten kann. Weil ich mach ja Kochbuch-Fasten, sozusagen.
Kochbuch-Fasten ist keine schlechte Idee. Ich miste gerade auch etwas aus…..
Wie immer eine Rezension von Dir, nach der man sich bestens informiert fühlt! Das Poppige, dass Du beschreibst, würde mir wahrscheinlich auch eher nicht gefallen, aber da ich den Mälzer-Hype weitgehend an mir habe vorüberziehen lassen, bin ich da noch nicht so übersättigt und könnte mir vorstellen, aufgrund Deiner Rezension einen Blick hineinzuwerfen.
Also, übersättigt bin ich auch nicht. Vermutlich liefen die Sendungen mit Herrn Mälzer einfach auf dem falschen Sender; ich habe nicht viel von ihm gesehen. Meine Tante, die letztes Jahr mit 85 leider gestorben ist und die eine sensationelle Köchin war – also die war ein großer Fan 🙂