Kochbuch: Ist das ein Kochbuch? | Heston Blumenthal

Heston Blumenthal gilt als einer der besten Köche seiner Generation. Er ist Autodidakt – und drei Sterne zieren sein Restaurant „The Fat Duck„. Neben dem „Fat Duck“ gibt es weitere besternte Restaurants, Fernsehserien und eine Produktlinie bei der Lebensmittelkette Waitrose. Heston Blumenthal istbekannt für seine innovativen Ideen und arbeitet eng mit Wissenschaftlern zusammen, um die physikalischen Hintergründe des Kochens zu verstehen und bestmöglich zu nutzen. Das Ziel ist nicht nur Innovation um ihrer selbst Willen – Heston Blumenthal möchte mit seinem Essen nicht nur die Geschmacksknospen anprechen, sondern auch Erinnerungen und Emotionen wecken. Auf sein Konto gehen auch bereits einige Kochbücher; dieses hier ist das erste, das ins Deutsche übersetzt wurde.

Und auch da geht es um Emotionen. Es gibt natürlich eine Menge Rezepte, aber diese werden begleitet von Gedanken und Ideen – jedes Rezept hat eine Doppelseite bekommen; auf der einen Seite gibt es das Rezept, auf der anderen philosophiert Heston Blumenthal. Oder wie er es ausdrückt: auf der einen Seite das Tun, auf der anderen das Sein. Man kann sich darauf einlassen, oder, wenn man einfach nur das Essen auf den Tisch kriegen will, den gedanklichen Aspekt beiseite lassen.

Zu den Rezepten: die sind gegliedert nach Sandwiches, Frühstück, Suppen, Salat, Essen aus anderen Esskulturen, traditionell britischen Mahlzeiten, Saucen, Dips, Fermentiertes, alternative Nahrungsmittel und Süßes. Die Rezepte sind sehr gut nachvollziehbar, man braucht hin und wieder etwas Muße, aber keine besonderen Lebensmittel oder spezielles Equiment. Eine Ausnahme ist das letzte Kapitel: wir wissen alle, dass unser Verhältnis zu Lebensmitteln nicht gut für den Planeten ist. Auch Heston Blumenthal ist auf der Suche nach alternativen Nahrungsquellen und hat sich daher entschieden, Rezepte mit Grillenpulver vorzustellen – und ich hätte zum Beispiel Grillenbrot und Grillenketchup auch ausprobiert, muss aber gestehen, dass mich 50€ für 200 g Pulver dann doch davon abgehalten haben.

Die Rezepte sind meist alltagstauglich, haben aber immer einen Twist, der sie aus der Masse heraushebt. Da wäre zum Beispiel die gewürzte Schokolade im Chili oder das Blumenkohlcurry, für den wirklich der ganze Kohl verwendet wird und die Kichererbsen samt Einlegeflüssigkeit. Und wer die Klassiker sucht – ja es gibt das Rezept für die 3fach gegarten Pommes frites.

Ich muss noch ein paar Worte zur Optik sagen: Das Buch ist ebenso hochwertig wie ungewöhnlich aufgemacht. Es gibt Food-Fotos, aber die spielen nicht die Hauptrolle. Das tun die Illustrationen von Dave McKean. Die Rezeptseiten sind weiß, aber überall sonst wird die Seite mit fantasievollen Zeichnungen ausgefüllt. Das ist ein wenig irrwitzig, aber auch kongenial.

Keine Sojasauce, sondern Hestons japanische Spezialsauce „Umamilicious“ ist in diesem Fläschchen. Dafür wird mit Shiitake angereichete Dashi stark eingekocht und mit Bonitoflocken, Mirin und Sojasauce gewürzt. Ein paar Tropfen davon bringen Geschmackstiefe an die unterschiedlichsten Gerichte.

Porridge, aber in herzhaft: Die Haferflocken werden mit Curry gewürzt, außerdem sind Pilze und Speck dran. Alles wird gekrönt von einem Ei – das war sehr gut.

Das sind Rösti aus Kartoffeln und Kimchi, serviert mit etwas Bonitoflocken. Laut Rezept sollte man Mayonnaise dazu reichen, ich habe statt dessen nochmals zum Kimchi gegriffen und ein Dressing aus Tofu, Kimchi und Miso dazu gereicht.

Das sieht gar nicht mal so gut aus – war es aber. Es ist Chili con carne mit scharfer Schokolade. Schokolade am Chili ist ja nicht so ganz neu, hier wird aber nicht einfach ein Stück Schokolade an das Chili geworfen: Man macht vorweg eine Mischung aus geschmolzener Schokolade, Gewürzen, Chili und Butter, die man dann gegen Ende der Kochzeit ins Chili rührt. Das macht die Sauce besonders cremig und man kann die Gewürzschokolade gut nach dem eigenen Geschmack dosieren. Spannend ist auch, dass die Zwiebel mit Sternanis gebraten wird, um das Fleischaroma hervorzuheben.

Blumenkohlcurry mit Kichererbsen, und das sozusagen Leaf to Root: Die Sauce besteht aus den Abschnitten vom Blumenkohl und den Kichererbsen samt der Flüssigkeit aus der Dose, die Blumenkohlröschen werden blanchiert und in der Sauce serviert.

Ja, es ist ein Kochbuch. Man findet schöne Rezepte, und wer möchte, kann auch weitergehen und sich mit den persönlichen Gedanken von Heston Blumenthal befassen. Zusammen mit den genialen Illustrationen kommt das Buch als Gesamtkunstwerk – es ist sozusagen „Kochbuch plus“.

  • Sprache: Deutsch
  • Gebundene Ausgabe: 368 Seiten
  • ISBN: ‎ 978-3039021918
  • € 42,00
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4 Kommentare

  1. Zwiebeln mit Sternanis sind ja ein (brillanter) Heston-Klassiker, den er auch schon im wirklich fantastischen „At home“ anpreist, den Twist nutze ich seit Langem gern auch immer wieder – wie ich grundsätzlich ihn, seine Herangehensweise, seinen Witz, seine Erklärkunst und auch sein verschroben-kunstvolles Buchlayout sehr mag. Ich war begeistert, als ich hörte, es kommt ein Neues von ihm – dann abgeschreckt, weil die Rezensionen hier, im Gegensatz zu „At home“, wenig gute Haare an seinem eh schon kahlen Kopp gelassen haben.

    Ich frag mich schon auch, ob ich dieses Buch brauche, weil einiges davon scheint in „At home“ und im „Fat Duck Cookbook“, das auch so kunsttoll ist, angelegt oder ähnlich vorhanden. Gleichzeitig reizt es mich schon weiterhin sehr, weil ich das Kreative seiner Buchgestaltungen auch total mag. Mal schauen. Danke für die tolle Rezi, Susanne!

    • Rezeptdopplungen gibt es – zum Beispiel auch die Pommes. Das Buch bietet halt auch reichlich Lesestoff und die Illustrationen sind schon eine Marke – womöglich ist das eine Frage des Platzes, den das Bücherregal (gut, vermutlich eher die Bücherregale) noch bietet.
      Liebe Grüße!

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