Kochbuch: Sizilien in meiner Küche | Cettina Vicenzino

Cettina Vicenzino wurde auf Sizilien geboren, kam aber bereits im Alter von 4 Jahren nach Köln. Dort betrieb die Familie eine Pizzeria, in der die Kinder quasi aufwuchsen. Als Teenager begann Cettina an Ruhetagen, die Restaurantküche für ihre Kochexperimente zu nutzen. Dennoch schlug sie zunächst einen anderen beruflichen Weg ein: sie studierte Modedesign und Kunst. Letztendlich aber drängte sich die Lust am guten Essen in den Vordergrund, und so erschien 2009 ihr erstes Kochbuch.

Ihr Traum war es schon lange, ein Buch zu machen, das sich mit der Küche ihrer sizilianischen Heimat befasst. Vor zehn Jahren war das so noch nicht möglich, da herrschte noch die Meinung vor, dass italienische Küche eben italienische Küche sei und damit basta. Gut, dass sich das inzwischen geändert hat, denn so liegt nun dieses Buch vor mir.

Mich freut das ganz besonders. Ich mag Cettinas Bücher schon lange, virtuell kennen wir uns, hatten uns aber noch nie getroffen. Als dieses Buch erschien, ergriff Cettina die Initiative und so haben wir uns endlich persönlich kennengelernt. Zusammen mit Dorothée trafen wir uns in einem schönen kleinen italienischen Restaurant zu einen guten  Mittagessen, redeten über Essen und die Welt und hatten einen schönen Tag. Danke!

Cettina Vicenzino ist Künstlerin, und das merkt man dem Buch an: nicht nur die Rezepte sind von ihr, sondern auch die Fotos, das Foodstyling und die Texte. Das Buch trägt ganz unverkennbar ihre künstlerische Handschrift, wobei ich besonders schön finde, dass die Fotos zwar ausdrucksstark und hübsch sind, aber zugleich auch natürlich.

Jetzt zu den Rezepten: Die klassischen Antipasti gibt es auf Sizilien nicht, und so ist die Speisefolge ein wenig anders, als man es von italienischen Kochbüchern gewohnt ist. Antipasti waren auf Sizilien eher eine Beilage oder ein Zwischengang, aufgrund der Armut aber leider oft genug auch das einzige Gericht, und so finden wir auch ein Kapitel, dass sich mit Intermezzi befasst und eines, mit Tellergerichten, die eine komplette Mahlzeit darstellen.

Drei grobe Richtungen gibt es in der sizilianischen Küche: die  cucina povera, die aus wenig das Beste herausholt und auf ursprüngliche Zutaten setzt, ist wohl die bekannteste. Da gibt es zum Beispiel Favabohnen mit gebratenem Ei. Die cucina monsù entstand während der Herrschaft der Bourbonen (monsù ist eine Verballhornung des unaussprechlichen monsieur)  und vermischt sizilianische Zutaten mit französischen Kochtechniken.  Und dann gibt es noch eine ausgeprägte Streetfood-Tradition – oft mit Innereien, die von der reichen Bevölkerung verschmäht wurden, aber auch Arancini, die übrigens ganz unterschiedlich aussehen, je nachdem, ob man sie in Catania oder Palermo isst.

All dies kommt in dem Buch zu seinem Recht; die Rezepte sind sehr unterschiedlich und das meiste kannte ich noch nicht. Es gibt ganz klassische Gerichte – so wird genau erklärt, wie eine Pasta alla Norma, die diesen Namen verdient, wirklich aussieht. Manchmal wurden auch typisch sizilianische Zutaten zu etwas Neuem kombiniert, wie beim sizilianischen Brioche-Burger, der Auberginen-Polpette und geschmorten Brokkoli mit feinen Burger-Buns kombiniert.

Die Rezepte sind gut umsetzbar und wunderbar erklärt. Immer ist erwähnt, wie lange es dauert, bis das Essen fertig ist und wie viele Personen davon satt werden. Und immer gibt es auch eine kleine, persönliche Erklärung, die sich mit den Hintergründen des Gerichtes befasst. Manchmal sind die nötigen Zutaten eine Grenze, aber immer wieder wird da auch Ersatz vorgeschlagen.

Cettina Vicenzino ist für dieses Gericht durch Sizilien gereist, hat  Köche besucht, Bauern und Produzenten und sie weiss Geschichten zu erzählen. Und so ist dies mehr als ein Kochbuch. Wir lernen Menschen kennen, erfahren Spannendes über Geschichte, Traditionen und Zutaten und tauchen ein in ein Sizilien, das die meisten von uns so nicht kannten. Passend dazu gibt es im Anhang viele Adressen von Hotels, Restaurants und Produzenten.

Mafalda war für mich bisher immer der Name einer Comic-Figur, dass es ein Gebäck dieses Namens gibt, wußte ich nicht. Aber jetzt: Mafalda sind kleine Brote aus Hartweizenmehl, flauschig dank Kochstück und aromatisch dank langer Gare. Die standen hier nicht zum letzen Mal auf dem Tisch.

Den letzten heißen Tag des Sommers habe ich genutzt, um Wassermelonenpudding zu kochen: der Saft einer Wassermelone, gewürzt mit Orangenblütenwasser und Zimt, gebunden mit Stärke. Ein genialer Sommernachtisch, auf den ich von alleine sicher nicht gekomen wäre.

Sizilien hat seine ganz spezielle Pasta-Form: Busiate werden aus einem speziellen Hartweizengrieß und Wasser hergestellt. Ihre Form bekommen sie, indem man kleine Teigschnüre um eine Stricknadel wickelt. Zur Pasta gab es Pesto Trapanese aus frischen Tomaten. Da hat mir besonders gut gefallen, dass Cettina Vicenzino Rauchmandeln verwendet; die geben nochmal ein gewisses Etwas.

Sizilien ohne Aubergine – das ist undenkbar. Ich habe mir aus den Rezepten die Auberginenfrikadellen herausgepickt, die dank Scamorza und frischer Minze ein bisschen rauchig und schön frisch schmecken. Ich habe St.-Bernardo-Sauce dazu serviert; eine Mischung aus Mandeln, frischen Semmelbröseln, Bitterschokolade und Sardellen, süß-sauer abgeschmeckt. Eigenwillig und gut.

Eigenwillig sind auch die Polpette dolci: gebunden mit frischen Semmelbröseln und Mandeln, gewürzt mit Zucker, Zimt und Rosinen weisen sie arabische Spuren auf.

Fazit:

Kochbücher, die Rezepte sammeln, gibt es unzählige. Was ich viel lieber mag, sind Bücher die darüber hinaus auch Geschichten erzählen und mich in ein Land oder eine Region, seine Menschen, seine Traditionen und seine Geschichte eintauchen lassen – und so ein Buch ist das. Es gibt wunderbare Rezepte – sowohl bekannte als auch unbekannte und innovative, aber auch spannenden Lesestoff über die Menschen und die  Esskultur Siziliens. Die stimmungsvollen Fotos runden das Ganze ab.

 

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4 Kommentare

  1. Wieder mal eine nahezu unwiderstehliche Verführung…. obwohl ich ja schon ein sehr gutes Buch über sizilianische Küche besitze. Mal schauen was ich meinem Bücherschrank zumuten kann…..

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