Kochbuch: Das Noma-Handbuch Fermentation | René Redzepi & David Zilber

Wenn man in Noma isst, dann kann man sicher sein, dass auf jedem Teller, den man zu kosten bekommt, etwas Fermentiertes ist. Das war nicht immer so. Berühmt geworden ist das Restaurant ja mit (einem damals radikal neuen) sehr lokalen Ansatz. Und wenn man dann in Dänemark lebt, arbeitet und kocht, dann können im Winter die lokal verfügbaren Zutaten etwas knapp ausfallen. Also fing man an, im Frühjahr und Sommer geerntete Kräuter und Früchte durch Einlegen haltbar zu machen. Und dann waren die Bärlauchkapern eine Offenbarung und die in Salz eingelegten Stachelbeeren schließlich riefen eine große Veränderung hervor – man begann, sich im großen Stil mit dem Fermentieren zu beschäftigen.

Fermentierte Lebensmittel dienen nicht nur der Haltbarmachung und sind aufgrund ihrer darmfreundlichen Bakterien sehr gesund – sie sorgen auch dafür, dass alles besser schmeckt. Kurz gesagt werden beim Reifen der Lebensmittel Molekülketten zerlegt und die Nährstoffe leichter verfügbar gemacht. Und: es entsteht (unter anderem) Glutaminsäure, und diese wiederum ist verantwortlich dafür, dass wir umami schmecken – das Essen schmeckt nach mehr.

Sehr gute Gründe, sich näher damit zu befassen, und dieses Buch will uns die Arbeit des Noma auf diesem Gebiet näher bringen. Es gibt schon einige Bücher über die Küche des Noma, aber dieses hier wurde tatsächlich mit dem Ziel geschrieben, die Arbeit des Restaurants in private Küchen zu bringen.

Das Buch zeigt eine Vielzahl von Fermenten, wie sie im Noma verwendet werden: es gibt milchsauer Eingelegtes, Kombucha, Essig, Miso, Sojasauce, Garum und auch schwarze Früchte und Gemüse, auch wenn diese im strengen Sinn nicht fermentiert sind. Wer sich für Gebiete wie Sauerteig, Alkohol, Milchprodukte oder Wurst interessiert wird nicht fündig, das hätte einfach den Rahmen gesprengt.

Ich gehe kurz auf die einzelnen Kapitel ein: milchsauer Eingelegtes kennt Ihr ja alle; der Klassiker sind Salzgurken. Die findet man in diesem Buch nicht, statt dessen werden Pflaumen eingelegt, Steinpilze, die Stachelbeeren, mit denen alles anfing.

Über Kombucha habe ich schon öfter geschrieben und ich gestehe, ich war immer der Meinung, dass Tee (und die darin enthaltenen Polyphenole) eine notwendige Zutat wären. Im Noma setzt man Kombucha mit allem Möglichen an (Holunderblütensirup, Kaffee, Mango), der Tee darf draußen bleiben.

Am Versuch, Essig anzusetzen bin ich schon oft genug gescheitert, damit muss ich mich doch wieder einmal näher befassen. Im Buch gibt es zwei Möglichkeiten: entweder ist wird zuerst eine alkoholische Basis hergestellt wie zum Beispiel Perry (eine Art Cidre aus Birnen) oder Pflaumenwein oder es wird gekaufter Alkohol wie Gammel Dansk oder Whiskey verwendet. Auf dieser Basis wird dann mit Hilfe von unpasteurisiertem Essig der entsprechende Essig gebraut.

Koji kennt Ihr auch; bestimmt habt Ihr Sojasauce in der Küche. Zur Herstellung von Sojasauce werden Sojabohnen mit bestimmten Schimmelpilzen geimpft; auch an der Herstellung von Sake ist Koji beteiligt. Im Buch werden verschiedene Arten von Koji gezogen – auf Perlgraupen, auf Roggenbrot, auch mit Hefe.

Wenn man Koji hat, kann man Miso und Sojasauce machen: da gibt es das Rezept für das berühmte Miso aus gelben Erbsen, für Miso aus Roggen, Kürbiskernen oder Haselnüssen. Auch Sojasauce braut man aus gelben Erbsen, aber auch mit Hilfe von Steinpilzen oder Kaffeesatz.

Garum ist die Fischsauce der Alten Römer, hier wird sie nicht nur aus Tintenfisch gebraut, sondern auch aus Rindfleisch und für die Mutigen unter uns aus Heuschrecken.

Noch kurz zu den schwarzen Früchten: das Schwärzen ist eigentlich ein enzymatischer Prozeß, keine Fermentation. Im Prinzip ist es ein sehr langer Garvorgang bei sehr niedriger Temperatur und so entstehen die Röstaromen, die zum Beispiel den schwarzen Knoblauch so reizvoll machen. Hier werden auch Äpfel oder Maronen diesem Prozeß unterzogen.

Für jedes hergestellte Ferment gibt es außerdem Rezeptideen für die weitere Verwendung: Rosen-Kombucha wird zur Rosen-Pflaumensauce für Ente, die Schalen milchsauer eingelegter Pflaumen werden zu Chips, mit Miso wird Erbsen-Miso-Butter gemacht…..

So. Das ist ein Buch des Noma – kann ich das alles zuhause machen? Immerhin ist das das erklärte Ziel des Buches. Ja, kann man. Wenn man sich bestimmten Dingen stellt: Die Rezepte sind wirklich sehr, sehr detailliert ausgearbeitet. Es gibt immer zunächst eine Einführung, die das jeweilige Ferment und die Technik zur Herstellung nicht nur genau erklärt, sondern auch in geschichtlichen und chemischen Zusammenhang stellt – da wird eine unglaubliche Menge an Basiswissen vermittelt. Dann folgt ein ausführliche beschriebenes Grundrezept, das schließlich nochmal kurz kurz wiederholt und mit Step-by-Step-Fotos versehen ist. Auf den Fotos sieht man auch, wie die Fermente in den unterschiedlichen Reifungsstufen aussehen sollen. Für jedes Kapitel gibt es so eine Grundanleitung, auf die dann in den folgenden Rezepten Bezug genommen wird.

Dennoch sind die Rezepte unterschiedlich schwierig umzusetzen; was hauptsächlich am Equipment liegt. Zutaten wie einen Scoby für Kombucha oder Sporen für Koji kann man sich online besorgen. Zum milchsauer Einlegen oder zum Kombucha-Brauen benötigt man lediglich große Einmachgläser oder ähnliches. Obst und Gemüse schwärzen kann man, wenn man wenn man einen Reiskocher oder einen Slowcooker mit Warmhaltestufe hat. Anspruchsvoller wird es bei den restlichen Produkten: beim Essig wird auf eine schnellere Gärung gesetzt, die Luftzufuhr benötigt. Hierzu benötigt man eine elektrisch betriebene Luftpumpe und einen Ausströmerstein. Und Fermente wie Koji, Miso oder Sojasauce benötigen ganz bestimmte Bedingungen, was Temperatur und Luftfeuchtigkeit angeht. Diese werden nur mit Hilfe einer Fermentationkammer erreicht. Anleitungen zum Selberbauen mit Hilfe eines Regalwagens oder einer Styroporbox, eines Luftbefeuchters, einer Wärmematte und anderen Equipment findet man im Buch ausführlich beschrieben. Aber ein Aufwand, dem man sich stellen muss, ist es schon.

Ich gebe zu, diesen Aufwand habe ich bisher gescheut. Ein bisschen was ausprobiert habe ich aber inzwischen trotzdem:

Ich liebe ja Kombucha, klar, dass ich mich erst mal auf dieses Kapitel gestürzt habe. Die Auswahl ist …beachtlich. Für den Apfelkombucha braucht man naturbelassenen Apfelsaft und einen Scoby. Ich habe meinen Kombucha-Pilz also in den Saft gegeben, war gespannt und auch ein wenig misstrauisch.

Der Pilz sank etwas nach unten. Nach kurzer Zeit fing der Saft zu gären an, und nach knapp 10 Tagen hatte ich nicht nur blubbernden, leicht säuerlichen Apelsaft, sondern es hatte sich auch an der Oberfläche ein zweiter Scoby gebildet.

Bisher wäre ich nicht auf die Idee gekommen, Spargel zu fermentieren. Aber die Aussage  „Spargel ist die neue Essiggurke“, die hat es mich dann doch ausprobieren lassen. Der Spargel landet ungeschält in Salzlake und wird zusätzlich von einigen Zitronenscheiben bedeckt.

Das Ergebnis ist klasse: der Spargel wird nicht matschig, weil ja noch die Schale dran ist. Er schmeckt säuerlich-salzig, es erinnert tatsächlich an Essiggurke, aber eben mit einem anderen Grundaroma und einer anderen Konsistenz. Das Rezept gibt es hier.

So, Kombucha, die Zweite. Kaffee-Kombucha klingt spannend und ist furchtbar nachhaltig. Es wird nämlich aus Kaffeesatz, Wasser und Zucker ein Sirup gekocht. Der zieht durch, dann wird der Kaffeesatz abgefiltert und der SCOBY landet im Sirup und tut seine Arbeit.

Das Ergebnis ist durchaus überraschend: prickelnd, leicht süß, mit einer angenehmen Säure und schönem Kaffeegeschmack. Für mich eine mittägliche Wohltat statt Espresso.

Ich wäre nie auf die Idee gekommen, Honig milchsauer zu fermentieren, aber als ich davon gelesen habe, wurde ich neugierig. Der Honig wird mit Wasser verdünnt, dazu gesellen sich Salz, Mango und Chili.

Die Mischung fängt relativ schnell an, zu blubbern und nach einer Woche hat man einen süß-säuerlichen Sirup mit einer schönen Chilinote . Ziemlich genial, um Saucen damit abzuschmecken oder um einfach einen Schuss davon in Secco oder Mineralwasser zu geben.

Fazit:

Es gibt ja nun genügend Bücher über Fermentation; wenn ich Miso machen möchte, oder mich mit Milchsäuregärung befassen, habe ich inzwischen eher die Qual der Wahl bei der verfügbaren Literatur. Aber dieses Buch macht einen Unterschied: Man denkt weiter. Viele der gängigen Fermente werden mit regionalen Produkten angesetzt – man nehme nur das Miso aus gelben Erbsen als Beispiel. Man findet nicht nur neue Ideen für das Fermentieren, auch die Rezeptvorschläge für die Verwendung der Fermente sind ungewöhnlich und sehr lohnenswert.

Auch das vermittelte Basiswissen mit seinen chemischen und historischen Zusammenhängen ist spannend und sehr hilfreich, wenn man sich mit dem Fermentieren näher beschäftigen möchte; Es ist übrigens auch dann nützlich, wenn man es nicht zum Fermentieren anwenden will: Es gibt ja im Buch auch eine Menge kurzer Rezepte für die Verwendung der hergestellten Fermente. Die kann man auch kochen, wenn man das Ferment nicht selbst hergestellt, sondern zum Beispiel Miso oder Sojasauce gekauft hat. Und wenn man dann weiß, wie das entsprechende Produkt hergestellt wird, weiß man sehr viel genauer, worauf man bei Kauf und Auswahl der Zutaten achten muss.

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9 Kommentare

  1. „furchtbar nachhaltig“ da mußte ich doch grinsen. Meiner Neigung zum Experimentieren nach würde mich das alles schon interessieren, nur wer soll dann das alles verwenden?

    • Naja, man muss ja nicht alles auf einmal ausprobieren. Bei mir ist jetzt erst mal etwas Pause, ich brauche mal auf. Und dann sehen wir weiter…

  2. Auf dir Idee, den Kombucha in Kaffee zu setzen, wäre ich im Leben nicht gekommen. Früchteteevarianten und Hibiskusaufguss waren bisher das Exotische was ich in dieser Richtung kannte.

    • Ich wäre da auch im Leben nicht drauf gekommen; ich bin da auch ein wenig feige und habe Angst, den Scoby zu ruinieren – aber es hat hervorragend funktioniert. Ich achte aber trotzdem darauf, dass ich zwischendurch immer wieder mal schwarzen Tee verwende, sicherheitshalber….

      • Ich war am Anfang immer sehr vorsichtig mit ihm, aber er scheint doch sehr robust zu sein und vermehrt sich prächtig, selbst mit sehr wenig Zucker. Ausser einem Experiment mit Weisskohl (um die Milchsäurebakterien etwas zu verstärken) habe ich ihn aber bisher nur klassisch mit Schwarz- oder Grüntee angesetzt.

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