Kochbuch: Vibrant India | Chitra Agrawal

Nachdem ich Euch neulich schon versehentlich die tollen Süßkartoffel-Buns vorgestellt habe, wird es jetzt Zeit für das Buch, aus dem das Rezept stammt:

Chitra Agrawal wurde in den USA geboren. Ihre Eltern waren aus Bangalore, Südindien, nach New Jersey zugewandert. Sie ist in den USA aufgewachsen und dort verwurzelt – aber gekocht und gegessen wurde immer indisch. Essen spielte in der Familie schon immer eine wichtige Rolle: man lebte von jeher vegetarisch; das Essen sollte nicht nur satt machen und den Gaumen erfreuen, sondern auch nach ayurvedischen Grundsätzen den Körper gesund halten. Die Familie ist in der brahmanischen Tradition verwurzelt; man aß also nicht nur vegetarisch, sondern mied lange Zeit auch Lebensmittel wie Zwiebeln, Knoblauch, Alkohol oder Koffein, die den Körper zu sehr stimulieren. So lernten es Chitras Eltern, und so führten sie das auch in den USA weiter.

Essen und Kochen war also schon immer ein zentraler Teil in Chitra Agrawals Leben. Trotzdem studierte sie etwas anderes und verbrachte einige Jahre im Marketing.  Das lag zum Teil daran, dass ihre Eltern hart gearbeitet hatten, um den Kindern ein Studium und eine Karriere zu ermöglichen – Koch war eher kein angesehener Beruf, den sie sich für ihre Kinder wünschten. Kochen war also lange Freizeitbeschäftigung und Entspannung für die Autorin. Schließlich begann sie aber, die Küche ihrer Familie zu er erlernen, verbrachte den Urlaub bei ihren Eltern und in Indien, schaute der Mutter über die Schulter und sammelte in Indien alles Wissen ein, das sie bekommen konnte. 

Mit der Zeit verstand sie die Grundlagen, begann eigene Rezepturen zu entwickeln und begann ihren Blog, The ABDCs of Cooking. ABCD steht übrigens für „American Born Confused Desi“ und bezieht sich auf Menschen mit südasiatischen Wurzeln, die in den USA geboren wurden. Von da an entwickelte die Sache eine Eigendynamik. Es kamen Kochkurse, Supperclubs und der Verkauf eigener Produkte. Inzwischen ist Chitra Agrawal längst nicht mehr im Marketing tätig, sondern hat das Kochen zu ihrem Beruf gemacht. Vor mir liegt ihr erstes Buch, das bislang erst auf Englisch erschienen ist.

Und was ist denn nun drin? Logischerweise eine Menge vegetarischer indischer Rezepte unterteilt in die Kapitel Frühstück und kleine Imbisse, Salate und Jogurtgerichte, Pfannengerührtes und Curries, Reis und Brot, Suppen und Eintöpfe, Festliches, Süßigkeiten, Chutneys und Pickles sowie ein Kapitel mit Grundrezepten für Gewürzmischungen, Joghurt und Ghee. Die Rezepte orientieren sich an der klassischen Küche, so wie die Autorin sie aus ihrem Elternhaus kennt. Ein wenig modernisiert hat sie sie aber doch: so gibt es eine Alternative für den runden Idli-Dämpfer, der in westlichen Haushalten wohl eher nicht zuhause ist, es werden Gemüse und Obstsorten verwendet, die sie aus der solidarischen Landwirtschaft bekommt und manchmal werden auch einfach die Kochstile kombiniert.

Ich habe da noch einiges, was ich ausprobieren möchte. So gibt es sehr viele Rezepte für Dosas, das sind Pfannkuchen aus fermentierten Hülsenfrüchten und Reis, und Idli, also gedämpfte Klösschen. Aufgrund traumatischer Vorerfahrungen habe ich mich da noch nicht herangetraut – aber das kommt noch. Der Reis mit Aubergine und grünen Paprika steht ebenso auf meiner Liste wie wie das „Risotto“ aus Reis und gelben Linsen, das Shortbread mit grünen Chilis und Cheddar, die würzigen Chips aus Bittergurke oder die Eiscreme auf Bananenbasis mit Kokos und Kardamom.

Die Rezepte sind südindisch geprägt. Das bedeutet: es gibt viel Reis und Linsen, Kokosnuss und Curryblätter sind allgegenwärtig, und auch Tamarinde spielt eine wichtige Rolle. Statt Knoblauch wird Asafötida verwendet. Die Rezepte sind wirklich toll erklärt – aufgrund ihres Hintergrundes weiß Chitra Agrawal offensichtlich, woran man im Westen so scheitern kann. Was aber wirklich vonnöten ist, ist der Gang in den Asiashop für so manche Gewürze und Hülsenfrüchte. Ach so –  es ist ein amerikanisches Buch;  mit Cupmaßen muss man sich also befassen.

Was es sonst noch gibt: eine Anleitung zum Essen ohne Besteck, Ideen für die Planung von Mahlzeiten und für Menüs und eine Liste, welche Lebensmittel man für den Anfang benötigt, wenn man aus dem Buch kochen möchte. Und natürlich ein ausführliches Register, das sowohl nach Zutaten als auch nach Rezepten geordnet ist.

Das ist ein sehr persönliches Kochbuch. Chitra Agrawal hat es ihrer Mutter und deren Heimat Bangalore gewidmet, und ihre Geschichte spricht aus jeder Seite des Buches. Es gibt zu jedem Rezept eine kleine Einführung, in der nicht nur erzählt wird, woher das Gericht kommt und was man bei der Zubereitung beachten muss, sondern oft wird auch ein persönlicher Bezug hergestellt. Und dann gibt es da eine Einführung, die ich wirklich gern gelesen habe. Sie erzählt  die Geschichte der Familie (gemessen an den Essgewohnheiten, natürlich…) bis hin zu dem, was Chitra Agrawal heute tut.

Rührei wie im Hotel – das geht auf eine Kindheitserinnerung der Autorin zurück. Immer, wenn sie mit Ihren Eltern in Indien war, gab es im Hotel zum Frühstück eine bestimmte Art von Omelette. Sie hat das zuhause nachgebaut: das Ei wird aromatisiert mit schwarzer Senfsaat, Curryblättern und Kurkuma, grüne Paprika und Tomate werden auch mitgebraten. Das hat auch uns richtig gut gefallen.

Da gibt es ein Rezept für Süßkartoffelbrötchen, das ist wirklich toll. Nicht nur, dass die Brötchen flauschig sind und hübsch aussehen….nein, mit Frühlingszwiebeln, Koriandergrün und Chili sind sie auch wunderbar würzig. Das Rezept findet Ihr bereits hier.

Hauptgerichte beruhen oft auf Hülsenfrüchten und werden zusammen mit Reis und einem Joghurt-Gericht serviert. Ich habe mich an Sambar versucht; das ist ein Eintopf aus roten Linsen mit Kartoffeln und Karotten. Das Aroma kommt von einer vorher hergestellten Würzmischung – Sambar oder Huli eben. Tamarinde steuert eine schöne Säure bei, und Kokosflocken machen das Ganze rund. Das ist richtiges Wohlfühlessen.

Sambar hat durchaus eine gewisse Schärfe; da kann man gut ein kühlendes Joghurt-Gericht dazu vertragen. Karotten-Raita zum Beispiel. Dafür werden geriebene Karotten zunächst mit Gewürzen gebraten – ein kleines Curry, das man gerne auch ohne Joghurt essen kann. Für eine Raita kommen noch Joghurt und Kokosflocken dazu.

Popcorn! Ich liebe es. Aber salzig muss es sein. Und die Variante mit Curryblättern, Senfsaat, Kurkuma und Chili, die ist sofort auf die Liste mit den allerbesten Popcornvarianten gewandert.

Grüne Bohnen, rasch pfannengerührt mit Senfsaat, Asafötida, Curryblättern, Chili und Sambar-Pulver, dazu etwas Kokos – geht schnell, ist superaromatisch und macht glücklich. Wir haben das einfach mit etwas Reis als leichte Mahlzeit gegessen.

Fazit: Ich möchte dieses Buch jedem, der sich für die indische Küche interessiert, ans Herz legen. Einfach, weil es nicht nur spannende, vielfältige vegetarische Rezepte bietet, und weil man viel über die südindische Küche erfährt,  sondern auch, weil es ein so persönliches Buch ist. Und auch, weil es so gelungen zeigt, dass etwas Tolles entsteht,  wenn unterschiedliche Kulturkreise sich gegenseitig befruchten, anstatt sich ängstlich anzufeinden.

Euer Buchhändler bestellt das Buch gern für Euch. Alternativen wären bücher.de oder amazon*.

  • Gebundene Ausgabe: 224 Seiten
  • Verlag: Ten Speed Press
  • Sprache: Englisch
  • ISBN- 978-1607747345

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5 Kommentare

  1. Nicht das an indischen Kochbüchern bei mit Mangel herrschen würde, aber bei Süd-Indien gibt es tatsächlich noch ein Defizit. Ich habe Lust bekommen, danke für Deine nette und sehr informative Rezension!

    • Kann ich verstehen. Ist auch nicht gerade mein Liebstes, und das ist dezent ausgedrückt. Aber manchmal überwiegt einfach die Neugierde auf die Rezepte 😁.

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