Veggie Deluxe – AEG Tasteacademie mit Heiko Antoniewicz

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In den letzten Monaten habe ich mich durch eine ansehnlichen Stapel Kochbücher gearbeitet. Eines ist mir dabei aufgefallen: Wenn es um klassische, vor allem hochklassige  Restaurantküche geht, dann sind Vegetarier leider oft arm dran. Es ist scheint tatsächliche so zu sein, dass sie dann auf Beilagen angewiesen sind oder die legendäre Salatplatte. Das macht zwar satt, aber nicht zufrieden.

Heiko Antoniewicz hat sich dieses Problems angenommen. Er ist prädestiniert dafür, denn zweimal im Jahr ernährt er sich für 2 Wochen basisch vegan, im Anschluss daran noch 2 Wochen vegetarisch. Da merkt man rasch, worauf es bei fleischloser Ernährung ankommt.

Aber von vorne: ich hatte das große Vergnügen, Heiko Antoniewicz bei der AEG Tasteacademy erleben zu dürfen. Veggie deluxe, so lautete das Thema des Abends – ein vegetarisches Menü der Spitzenklasse, das alle Sinne anspricht. Erreicht wird das durch den Einsatz verschiedenster Garmethoden, Temperaturen und Konsistenzen.loeeffel

Es fing alles an mit zwei Löffeln: ein Löffel Linsen und ein Löffel Sellerie – ziemlich konventionelle Produkte. Wenn man sie aber in verschiedenen Konsistenzen präsentiert – die Linsen einerseits bissfest gegart, andererseits als Püree, den Sellerie zum Teil fermentiert, dann wird das Ganze spannend.

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Das Spiel mit den Konsistenzen setzt sich fort im ersten Gang: Rote Bete, als Würfel, als Creme, als fermentierter Fond, dazu marinierter Seidentofu, Haselnüsse und Streussel aus Maltodextrin und Kaffeeöl. Ich habe gelernt, dass Kaffee den erdigen Geschmack der Roten Bete ausbalanciert. In meiner Küche wohnt nun ein Kaffeeöl – mal sehen, ob ich meiner Familie mit seiner Hilfe die Beten schmackhaft machen kann ;-).

Und Ihr merkt: Heiko Antoniewicz bricht gerne eine Lanze für Fermentieren. Ich habe das Gefühl, es gibt nichts, das er nicht schon eingelegt hat. Die Ergebnisse sind auch überzeugend: man bekommt einfach noch einmal andere Geschmäcker und Konsistenzen.

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Bitter ist gerade en vogue, und bitter war der nächste Gang: Chicorée, Couscous in Grün, Zichoriensud, alles ausbalanciert mit süßem Senf. Der Sud besteht aus Zichoriengranulat – ja, das ist das, was auch für den Caro-Kaffee verwendet wird, und Kartoffelkochwasser. Auch das ist ein Postualat von Heiko Antoniewicz:es wird alles verwendet. Das stärkehaltige Kartoffelkochwasser bindet Saucen. Gemüseschalen kann man auskochen, um zusätzliches Aroma zu bekommen….Und wusstet Ihr, dass man Couscous auch kalt quellen lassen kann? Wenn man dazu Petersilienwasser nimmt, dann bekommt er so eine tolle Farbe wie auf dem Foto.

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Was mir auch nicht klar war, ist, dass man Süßkartoffeln nicht unbedingt mit Hitze garen muss. Man kann sie auch in feine Scheiben hobeln und fermentieren. Hier befanden sich auf dem Teller die Süßkartoffel geröstet, fermentiert und als Püree. Dazu eine fein-säuerliche Bergamotte-Creme und ein Sud von schwarzem Tee, gebunden mit Süßkartoffelkochwasser.

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Heiko Antoniewicz unterrichtet unter anderem an einem College in Malaysia. Aufenthalte in Asien und der Austausch mit Kollegen bringen es mit sich, dass er gerne über den Tellerrand schaut und auch gerne Produkte aus anderen Kochkulturen verwendet. Dazu gehören nicht nur Sojasauce und Zitronengras, sondern auch Produkte wie die (gefürchtete) Durian. Hier schieden sich die Geister – und Heiko hatte sichtlich Spaß an den Reaktionen. Für mich schmeckt die Frucht wie eine Mischung aus Zwiebel und Banane.

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Klingt gewöhnungsbedürftig? Nun, sie wurde auch in einer sehr kleinen Dosis serviert. Die Durian befindet sich in dem kleinen Klecks Kartoffelpüree, der unter den Okras auf dem Teller ist. Dazu gibt es Kräuterseitlinge, mit Duftreis gefüllte Reisblätter, kleine Kataifi-Nestchen und Koriander. Eine schöne Kombination, fand ich,aber was das Püree angeht,  gab es auch Verweigerer ;-).

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ich weiß ja nicht, wie Eure Küche ausgestattet ist, aber ich habe nach dem Abend ein bisschen das Gefühl, dass ich durchaus einen Kammervakumierer, einen Thermalisierer und einen Dampfgarer brauchen könnte. Heiko reizt die technischen Möglichkeiten gerne aus und ist ein hervorragender Ansprechpartner für Themen wie Sous-Vide und Molekularküche.

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Auf dem Foto ist der Hexenmeister mit dem flüssigen Stickstoff zugange. Ich bin ja eigentlich keine große Dessert-Esserin, aber hier hatte ich Nachschlag. Nougatschnitte gab es, dazu ein Vanilleeis (unvergleichlich cremig dank Pacojet, an dieser Stelle ist ein Seufzer angebracht…), Avocado als Püree und Würfel, Hafer. Nougat-Popcorn: die Nougatmasse wird aus der Isi-Flasche in den Stickstoff gespritzt. Durch die Kälte platzen die Zellstrukturen auf, ganze bekommt die Konsistenz von Popcorn. Ein tolles Mundgefühl – ganz abgesehen davon, dass man beim Essen auch noch kleine Dampfwölkchen ausstossen kann ;-).

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Für dieses Jahr sind alle Veranstaltungen der Tasteacademy gelaufen. Es gab außerdem noch Nose to Tail mit Lucky Maurer und Taste Architecture mit Christian Mittermeier. Ich habe habe von dem Abend viele spannende Eindrücke und eine Menge toller Ideen und Tipps mitgenommen. Ganz abgesehen davon, dass ich auch hervorragend gegessen habe. Die Tasteacademy ist zurecht ein Erfolg und wird bestimmt auch nächstes Jahr fortgesetzt. Wenn Ihr die Gelegenheit habt, hinzugehen, dann lasst Euch das nicht entgehen. Ihr werdet einen unvergesslichen Abend haben.

 

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12 Kommentare

  1. das klingt ziemlich interessant! Vegetarisch in der Hochküche ist sicherlich anspruchsvoll, wobei- mit den schönen Büchern vom Witzigmann und Klink kommt man ganz schön weit in dieser Hinsicht. Und alles weniger hochtechnisiert….

  2. Wenn ich so mal auf Speisekarten von Restaurants gucke, finde ich das vegetarische Angebot bei gehobenen Restaurants gut, die haben ja meist auch komplett eigene vegetarische Menüs. Wo es einseitig ist, find ich, sind so die „normalen“ Restaurants. Da gibt’s mal ’ne Backkartoffel oder ein Pastagericht und die Salate kannste ohne Schinken oder Hähnchen bestellen, aber sonst? Dabei ist doch auch in dem Bereich so viel vegetarisches möglich …

  3. Mir geht es wie dir: In den nicht allzu häufigen Fällen, in denen wir mal richtig toll essen gehen, empfinde ich das vegetarische Angebot eher als Trostpreis. In den meisten Küchen dürfte da mehr drin sein. Ob das nun das gesamte Arsenal der Molekularküche braucht, weiß ich auch nicht. Aber wenn einer zeigt, was möglich ist, und damit die Fantasie anregt, finde ich das schon gut. Und spannend zu lesen ist dieser Bericht auf jeden Fall!

    • Nein, das Arsenal braucht man sicher nicht; und für mich ist das auch so, dass ich einiges nicht zuhause werde umsetzen können. Es ist aber durchaus spannend, zu sehen, was da so alles möglich ist.

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