Rezension: Die große Schweizer Küche I Alfred Haefeli, Erika Lüscher

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So, dann kommen wir mal zur letzten Rezension  – damit ist mein kleiner Marathon dann beendet 🙂 .

Schweizer Küche – was verbindet Ihr damit? Viel Käse und natürlich Schokolade? Dass das die Flagschiffe sind, ist klar – und ebenso klar ist, dass es viel mehr zu entdecken gibt. Ich hatte neben der üblichen Berühmtheiten spontan erst mal meine Älplermagronen im Kopf, wobei wir dann wieder beim Käse wären. Was für ein Glück also, dass dieses Buch uns einen genaueren Einblick in die Küchentraditionen der Schweiz gewährt.

Geschrieben haben das Buch der Verleger und Autor Alfred Häefeli und die Journalistin Erika Lüscher. Für die Rezepte haben die beiden sich Hilfe geholt – unter anderen bei den Aargauer Landfrauen, bei Thuuri Maag, Erica Bänziger oder Lucas Rosenblatt.

Ich fange mit den Äußerlichkeiten an – wie immer 🙂 Das Buch gefällt mir. Das Layout ist klar und übersichtlich – Rezept und Bild nehmen jeweils eine Doppelseite ein. Die Rezeptfotos sind hübsch, kommen aber ohne großes Chi-Chi aus. Mattes Papier und Fadenbindung sorgen für einen hochwertigen Eindruck.

Dann mal zum Inhalt. Meine Erwartung war ja, mehr über die Schweizer Küche zu erfahren – und diese Erwartung wurde erfüllt. Das liegt zum einen an den Rezepten. Die sind ganz traditionell gegliedert in Suppen, Vorspeisen und kleine Mahlzeiten, Vegetarische Hauptgerichte, Fleisch, Fisch, Eintöpfe und Aufläufe, Brot, Kuchen und Gebäck und Dessert. Man findet Klassiker wie Bündner Gerstensuppe, Rösti, Raclette,  Plain in Pigna oder Aargauer Rueblitorte, aber auch modern Interpretiertes wie Fisch auf Ingwer-Verjus-Gemüse, Minzeparfait im Filoteig-Körbchen oder Haferflockenburger mit Lauch. Die Rezepte sind relativ knapp formuliert – es schadet nicht, wenn man etwas Kocherfahrung hat. Mit den Rezepten für Hefegebäck bin ich nicht warm geworden – sonst war ich mit allem zufrieden.

Die Rezepte sind allerdings nur eine Seite des Buches. Die andere sind die Geschichten. Zum einen gibt es zu jedem Rezept eine sehr ausführliche Einführung, in der wir etwas über den Ursprung des Rezepts oder seine Zutaten erfahren. Zusätzlich wird bei jedem Rezept noch eine Zutat ganz besonders in den Fokus gestellt: seien es die Forellen, der Mozzarella aus der Schweiz, Hühnchen,  die Hefe oder der Appenzeller Käse. Das gibt es jeweils ein kleines Foto und einen Text, der Produkte und Produzenten vorstellt. Wer mehr wissen möchte, kann unter den zitierten Links weiterlesen. Das ist informativ und macht Spaß.

Natürlich habe ich nicht nur gelesen, sondern das Buch hat mich auch direkt in die Küche geschickt:

capuns

Capuns sind gefüllte Mangoldröllchen. Die blanchierten Mangoldblätter werden mit einer Art Pfannkuchteig, der mit Brotwürfelchen und Speck angereichert ist, gefüllt, in Wasser vorgegart und dann noch kurz überbacken – ein richtiges Lieblingsessen.

dörrbohneneintopf

Keine Schweizer Küche ohne Dörrbohneneintopf – ein schönes, deftiges Essen für Herbst und Winter. Dörrbohnen, Kartoffeln und dicke Stücke Speck, der zusätzlich Würze abgibt, das ist ein richtiges Wohlfühlessen. Nur etwas mehr Flüssigkeit am Eintopf hätte ich mir gewünscht.

bolognese mit walnüssen

Nochmal Lieblingsessen….ich meine, mit Bolognese kann ich hier immer kommen. In der Schweizer Variante wird sie mit Weisswein abgelöscht. Und am Ende kommen gehackte Walnüsse dazu. Serviert wird das ganze mit Kartoffelpüree. Das mag jetzt nicht übermäßig schön aussehen….aber trotzdem, ich frage mich, wieso ich da nicht schon vorher draufgekommen bin. Das ist wirklich Wohlfühlessen vom Feinsten.

hefezopf

Mit dem Hefezopf war ich nicht ganz glücklich. Einerseits war er nicht wirklich locker und  fluffig, was sicher daran lag, dass es im Rezept keine zweite Gehzeit gibt – der Zopf wird nach dem Flechten gleich in den Ofen geschoben. Und dann gibt es da noch die Form. Aus zwei Strängen soll man einen Zopf flechten….ich habe mich mit gerunzelter Stirn durchgewurstelt. Dass hinter einem richtigen Zopf eine ausgeklügelte Flechttechnik steckt, habe ich nicht aus dem Rezept erfahren, sondern durch Zufall aus einer anderen Quelle – und viel zu spät.

sauerkrautsuppe

Sauerkrautsuppe? Mein Mann schaute erst mal etwas misstrauisch. Geschmeckt hat die einfache Suppe aus Sauerkraut, Kartoffeln und Gemüsebrühe dann aber doch. Was mir besonders gut gefallen hat war der dazu servierte Wacholdertoast. Für den werden Brote gebuttert und mit etwas Senf bestrichen. Darüber kommen zerstoßene Wacholderbeeren; alles kommt kurz unter den Backofengrill.

maluns

Maluns sind eine einfache Arme-Leute-Speise aus Kartoffeln und Mehl: gekochte, geriebene Kartoffeln werden mit Mehl und ein wenig Ei vermischt und dann unter Rühren so lange in der Pfanne gebraten, bis eine krümelige, knusprige Masse entstanden ist. Wir haben die Maluns einfach mit etwas Salat und Apfelkompott gegessen. Obwohl die Zutaten denkbar einfach sind, schmecken sie grandios.

kabeljau in der senfkruste

Der Kabeljau unter der Senfkruste hätte eigentlich ein Wels sein sollen – aber als ich zum Fischhändler kam, war der ausgeplündert. Geschmeckt hat der Fisch dennoch richtig toll – ein saftiger, auf den Punkt gegarter Fisch unter einer sanft-würzigen Haube aus Toastbrot, etwas Senf, Eigelb, Butter und Schnittlauch. Ich habe Polenta und karamellisierte Karotten dazu serviert – das hat gepasst.bienenstich

Als ich den Bienenstich gesehen habe, musste ich herzhaft lachen: mein Schwiegervater macht immer Bienenstich ohne Füllung, wenn er grade träge ist. Und nun weiß ich – in der Schweiz macht man das immer so. Maßgeblich ist, dass der Belag aus gehackten Mandeln, Honig und Butter schön karamellisiert und der Boden gut aufgeht. Das ist mir gelungen 🙂 . Mit dem Rezept war ich aber nicht ganz einverstanden…in der Einführung stand noch, dass der Bienenstich von der langen Teigruhe lebte, im Rezept wurden dann für 600 gr. Mehl ein ganzer Würfel Hefe benutzt und die Teigruhe sollte insgesamt 20 (!) Minuten betragen. Ich habe sehr viel weniger Hefe benutzt und den Teig zweimal eine Stunde ruhen lassen.

Fazit? Ich hatte große Freude an dem Buch. Die Rezepte  – und vor allem die Geschichten hinter den Rezepten –  haben mir gut gefallen. Ich denke, ich weiß nun mehr über die Schweiz und ihre Esskultur. Die Rezepte sind manchmal etwas knapp gefasst, aber mit etwas Kocherfahrung kommt man gut zurecht.

  • Gebundene Ausgabe: 272 Seiten
  • Verlag: FONA Verlag; Auflage: 1 (Oktober 2014)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN: 978-3037805565
  • € 34,80
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10 Kommentare

  1. Der Schweizer Züpfe lohnt auf jeden Fall eine Wiederholung- hier kam der sehr gut an, trotz oder vielleicht grade wegen seiner Schlichtheit.
    Schöne Rezension, und interessante Gerichte die du vorgestellt hast.Sauerkrautsuppe, die gabs hier auch schon eeewig nicht mehr.

  2. Gerade dachte ich, dass du ja wohl unglaublich bist, wie viele Kochbücher du rezensierst. Du machst dir doch eine Menge Arbeit, weil du immer viele Gerichte nachkochst, was ja auch nicht gerade wenig Zeit kostet. Aber nachdem das nun das Ende eines Marathons ist, hoffe ich auf viele schöne Rezepte, die du nachgekocht hast.

    • Ach, das Nachkochen ist kein Problem. Ich koche ja eh jeden Tag und probiere gerne Neues. Inzwischen habe ich auch so eine Routine entwickelt und bin meist mit dem Kochen ganz zügig durch. Ich habe eher Veröffentlichungsstau…..

  3. Danke für die interessante Rezension! Mit der Schweizer Kulinarik verbinde ich spontan auch nur Käse und Schokolade, und auch Guetsli. Ach ja und Andy 😉
    Die Rührkartoffeln hören sich super an und Dein Bienenstich sieht auch super aus! Aber Bienenstich ohne Füllung, da würde mir was fehlen. Das ist doch das beste daran 😀

  4. Zopf wird in der Schweiz übrigens traditionell hochgeflochten, d.h. die gekauften Zöpfe sehen immer so aus:
    http://brotbackforum.iphpbb3.com/forum/77934371nx46130/tutorien-f40/zopf-mit-2-straengen-flechten-mini-hefezoepfchen-t2882.html
    Zöpfe mit 3 oder mehr Strängen sind der Stolz jeder Hausfrau, weil sie deutlich als selbstgemacht erkennbar sind. Ab und zu findet man auch beim Bäcker solch kompliziert geflochtenen Zöpfe, allerdings immer seltener. Zeit ist Geld.
    Zorra hat übrigens vor Jahren eine ganz einfache, aber beeindruckende Variante veröffentlicht:
    http://www.kochtopf.me/stories/zpfeln-leicht-gemacht/

  5. Nach dem Buch werde ich definitiv Ausschau halten! Danke. 🙂
    Aber Bienenstich ohne Creme? Ich fürchte, das wäre nichts für mich. 😉

    • Hihi…ich habe mich einfach amüsiert. Mein Schwiegervater stellt so einen Kuchen gerne mit großer Geste auf den Tisch….voilà, Bienenstich. Und alle schauen leicht betreten. Ich finde die Creme auch wichtig. Aber das Buch lohnt.

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