Rezension: Edward Espe Brown – Das Lächeln der Radieschen

radieschen

Wenn jemand ein Radieschen zur Hand nehmen kann und davon entzückt ist, bildet das eine Grundlage für unzählige Gerichte. Das Entzücken pflanzt sich durch Radieschen und Menschen gleichermaßen fort, läßt die Dinge für sich selbst sprechen, bringt sie vielleicht sogar zum Singen und lockt das Beste aus ihnen hervor. Ein Radieschen tritt auf, verkündet strahlend seine Radieschenhaftigkeit und alle profitieren davon.

Eine Rezension – aber nicht von einem ganz druckfrischen Buch, sondern von einem älteren. Es wohnt seit langer Zeit in meinem Bücherregal, und immer wieder mal ziehe ich es hervor und schmökere darin. Nicht nur wegen der Rezepte – auch wegen der Geschichten und Weisheiten, die man da so findet.

Ed Brown ist an so manchem schuld, was meine verlängerten Aufenthalte in der Küche angeht. Wer also ist dieser Mann überhaupt? Ed Brown  ist ein amerikanischer Zen-Priester; er fing 1965 mit der Zen-Meditiation an. Und mit dem Kochen. Er kam nämlich als Schüler ins Tassajara Zen Center und wurde vom Chef erstmal in die Küche gesteckt. Als Tellerwäscher fing er an – und wurde recht schnell Chefkoch. „Das Lächeln der Radieschen“ ist nicht sein erstes Buch – aber mein liebstes von ihm.

Wir sprechen von einem einfach aufgemachten Taschenbuch. Der Titel ist, wie Ihr sehen könnt, mehr als hübsch; aber weitere Bilder gibt es nicht.

Das Buch ist eine Mischung: es macht nicht nur den Magen zufrieden mit seinen schönen Rezepten, sondern auch Hirn und Seele mit seinen Geschichten und Weisheiten. Nach einer kurzen, sehr persönlichen Einleitung (was schreibe ich überhaupt, das ganze Buch ist sehr persönlich) folgen 8 Kapitel, die jeweils unter einem bestimmten Motto stehen. Da gibt es „Achtsamkeit entwickeln“, „Herausfinden, wie es geht“, „Der Kampf ums Gelingen und das Verspeisen der Ergebnisse“, „Genießen Sie Ihr Essen“ – und noch einiges andere.

Ich nehme mal ein Kapitel als Beispiel heraus. Das dritte Kapitel heißt „Das Positive sehen“. Es gibt Unterkapitel, in denen sind auch die Rezepte untergebracht. In den Unterkapiteln geht es in diesem Fall um einen ruhigen Geist, um Radieschen, darum, dass Kochen (und Leben) oft ein Kampf ist und um Nahrung für die Seele. Klingt nach schwerer Kost? Nein, gar nicht. Die Texte sind ein Genuss. Der erhobene Zeigefinger darf draußen bleiben; statt dessen ziehen Humor und Selbstironie ein. Die Texte behandeln alles Mögliche und ziehen Parallelen zwischen dem Kochen und dem Leben im Allgemeinen: es gibt Geschichten aus dem Leben im Zen-Center, Küchentipps, Schilderung von Wutanfällen des Autors (es ist wirklich übel, wenn sich ein Ei oder eine Packung Käse gegen Dich verschwören) und Einsichten, die mir bei jedem neuen Lesen nicht nur ein heftiges Kopfnicken, sondern auch ein fröhliches Grinsen entlocken.

Ach so, die – vegetarischen – Rezepte sind auch ein Genuss. Von Brot und Keksen über Hauptgerichte, Suppe und Nachtisch ist alles dabei. Keine Frage, dass die Rezepte funktionieren – da war jemand achtsam beim Verfassen 😉 . Die Gerichte sind relativ einfach und bestehen aus Zutaten, die man überall bekommt. Aus diesen Zutaten wird dann geschickt das Beste herausgeholt. Es ist ein Buch, dass ich auch wegen der Rezepte immer wieder aus dem Regal ziehe. Im Beispiel-Kapitel gibt es Chili-Crêpes mit Ziegenkäsefüllung auf schwarzen Bohnen, Wintersalat mit Walnüssen und gegrillte Paprika, außerdem nette Dinge mit Radieschen wie zum Beispiel Radieschensalat mit Sprossen und Orangen; es gibt eines meiner Lieblings-Notfallessen, nämlich Quesadillas mit gebackenem Gemüse, ein Basisrezept für weißen Reis und Tofu mit Pilzen, Möhren und Spinat. Die ebenso einfachen wie wunderbaren blättrigen Kekse habt Ihr ja schon kennengelernt. Und demnächst gibt es noch ein ganz besonderes Rezept für Lasagne.

Ich liebe dieses Buch – nicht nur für die Rezepte, sondern auch für die lebensklugen, humorvollen Texte. Ich finde es faszinierend, wie Ed Brown so selbstverständlich von einem begrenzten Lebensbereich – der Küche – den Bogen in unser Leben an sich schlägt.

Übrigens bin ich nicht der einzige Ed-Brown-Fan auf diesem Erdenrund. Dories Dörrie ist auch einer. Sie hat einen Film gemacht über ihn. „How to cook your life“ heißt er – und, Ihr könnt es Euch denken  – er ist absolut sehenswert.

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10 Kommentare

  1. Ohne Zeigefinger? Das finde ich immer wichtig. Klingt, als könne mir das Buch auch sehr gefallen. Den Film zumindest gibt es in der Bücherhalle. 🙂

  2. Was für ein tolles Umschlagumbild und was für ein offenbar sehr schönes Buch! Deine Beschreibung erinnert mich ein bisschen an „Wach auf und koche“ von Carole Tonkinson – es verbindet ebenfalls Rezepte und kleine Geschichten rund um den Buddhismus. Und Radieschenhaftigkeit hätte glatt Chancen, Food-Wort des Jahres zu werden, oder ;-)?

    • Ja, die Radieschenhaftigkeit gefällt mir auch. Das kann man ja erweitern…..im Augenblick wäre dann grade Tomatenhaftigkeit angesagt 🙂

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